Zwei Fallberichte

Neuro-Depesche 4/2022

Schwere Dyskinesien als Impfkomplikation

Zwei Fallberichte zu Parkinson-Patienten zeigen auf, dass als akute Komplikation einer COVID-19-Impfung schwere Dyskinesien auftreten können. Ihnen wurde in erster Linie mit einer Reduktion der Levodopa-Dosis begegnet.

Fall 1
Der erste Patient ist eine 61-jährige, nicht demente Frau mit einer elfjährigen Parkinson-Anamnese. Ihre motorischen Symptome waren unter 125/31,25/200 mg Levodopa/Carbidopa/Entacapon plus 200-mg-Retardformulierung zur Nacht gut kontrolliert. Sie litt unter keinen Dyskinesien. Im Juni 2021 entwickelte sie etwa 6 Stunden nach ihrer Erstdosis des mRNA-Impfstoffs BNT162b2 (Pfizer/BioNTech) eine schwere, anhaltende, generalisierte Dyskinesie (ohne Fieber und/oder Verwirrtheit). 
Die Behandlungsdosis wurde zunächst auf 100/25/200 mg Levodopa/Carbidopa/Entacapon reduziert und - aufgrund des minimalen Nutzen - anschließend auf 75/18,75/200 mg Levodopa/Carbidopa/Entacapon. Dies führte zum Verschwinden der Dyskinesien, allerdings verstärkten sich die zuvor gut kontrollierten Wearing-off-Symptome. Die Patientin akzeptiert diesen Status nimmt diese Medikation nun seit fast drei Wochen.
 
Fall 2 
Der zweite Fall betrifft eine 79-jährige, nicht-demente Frau mit fünfjähriger Krankheitsdauer. Sie zeigte eine milde Wearing-off-Symptomatik und gelegentlich leichte Peak-dose-Dyskinesien, war jedoch unter einer stabilen Behandlung von 3 x täglich 100/25 mg Levodopa/Carbidopa plus einer abendlichen 200-mg-Retardformulierung gut eingestellt und lebte weitgehend unabhängig. 
Ebenfalls im Juni 2021 entwickelte sie am Tag nach ihrer zweiten Impfdosis (BNT162b2) leichtes Fieber (38°C), Verwirrtheit, Wahnvorstellungen und eine über drei Tage anhaltende schwere Dyskinesie. Labortests ergaben einen erhöhten D‐Dimer-Spiegel (3228 ng/ml). Sie wurde mit Paracetamol behandelt und ihre Levodopa-Dosis wurde auf 350 mg/d reduziert. 
Zwei Wochen später war die Patientin afebril, aber die leichte Verwirrtheit und ein Rest an Dyskinesien (schwerer ausgeprägt als vor der Impfung) blieben bestehen.
 
Mögliche Pathogenese
Es wird vermutet, dass nach der Impfung Antigen‐präsentierende Zellen die Sekretion von Typ‐I‐Interferonen und anderen entzündlichen Zytokinen stimulieren, was die Durchlässigkeit der Blut‐Hirn‐Schranke und damit die Verfügbarkeit von Medikamenten im ZNS erhöht und die Dyskinesien verursacht haben könnte. 
Darüber hinaus könnte die systemische Reaktion auf das Vakzin striatale Glia‐vermittelte Entzündungsprozesse ausgelöst und/oder gefördert haben, die ihrerseits zur Entstehung der Levodopa‐induzierten Dyskinesie beigetragen haben könnten.
 
Fazit: Impfen – und achtsam sein!
Die beiden Fälle zeigen, dass die durch den Impfstoff ausgelösten Reaktionen variabel sind und wahrscheinlich von den individuellen immunologischen Profilen der Geimpften abhängen. Obwohl Dyskinesien nach der COVID-19-Impfung sehr selten sind, empfehlen die Autoren, Parkinson-Patienten anschließend für eine Weile im Auge zu behalten. Dessen ungeachtet sprechen sie sich uneingeschränkt für die Impfung auch dieser Patientengruppe aus.
Die Movement Disorder Society hatte zuvor eine Erklärung veröffentlichte, in der die Impfung von Parkinson-Patienten dringend empfohlen wird. Von den zugelassenen Impfstoffen seien keine Wechselwirkungen mit dem neurodegenerativen Prozess und der medikamentösen Behandlung bekannt! 
Fazit
Die beiden Fälle zeigen, dass die durch den Impfstoff ausgelösten motorischen Reaktionen variabel sind und wahrscheinlich von den individuellen immunologischen Profilen der Geimpften abhängen. Obwohl Dyskinesien nach der COVID-19-Impfung sehr selten sind, empfehlen die Autoren, Parkinson-Patienten anschließend für eine Weile im Auge zu behalten. Dessen ungeachtet sprechen sie sich – in Übereinstimmung mit den Fachgesellschaften – uneingeschränkt für die Impfung auch dieser Patientengruppe aus.
Quelle: Erro R et al.: Severe dyskinesia after administration of SARS-CoV2 mRNA vaccine in Parkinson‘s Disease. Mov Disord 2021; 36(10): 2219 [Epub 19. Aug. 19; doi: 10.1002/mds.28772]
ICD-Codes: G20 , U07.1

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