Tagesmüdigkeit bei Parkinson-Patienten

Neuro-Depesche 6/2015

Was bringt die Epworth Sleepiness Scale (ESS)?

In der bisher größten Studie zur Tagesmüdigkeit bei Patienten mit Morbus Parkinson wurden die Ergebnisse des breit eingesetzten Selbstbefragungsbogens ESS und des polysomnographischen Multiplen Schlaflatenztest (MSLT) miteinander abgeglichen. Zudem wurde versucht, komorbide Krankheits- und Risikofaktoren zu identifizieren.

Bei 134 hinsichtlich Schlafprobleme nicht selektierten Parkinson-Patienten (durchschnittl. Hoehn & Yahr-Stadium 2,2; UPDRS-III: 21,9 Punkte) wurden eine sehr breite Spanne von klinischen Variablen wie Krankheitsschwere, Komedikation etc. erhoben, sowie komorbide Symptome diagnostiziert, darunter Insomnie (83,9), Schmerzen (76%), Verhaltensstörung im REMSchlaf (47,3%), RLS (31,3%), Periodische Beinbewegungen im Schlaf (PLMS) > 15/h (27,8%), depressive Symptome (27,7%), schweres Schlafapnoe- Syndrom (Apnoe/Hypopnoe-Index [AHI] > 30/h; 17,9%). 35,8% der Patienten waren übergewichtig und 11,9% adipös. 86% erhielten Levodopa und 72,5% Dopaminagonisten, 22,4% Antidepressiva und 25,6% Benzodiazepine.
46,2% der Patienten wurden mit einem ESS Score > 10 als tagesschläfrig (und 27,4% als schwer tagesmüde) eingestuft. Im MSLT als „Goldstandard“ wurde tagsüber mehrfach die Einschlaflatenz gemessen. Bei einem Cut-off- Wert von < 8 min litten nur 13,4% der Patienten unter einer objektiven Tagesmüdigkeit. Patienten mit einem ESS > 10 wiesen durchschnittlich eine kürzere MSLT-Latenz auf als jene mit Werten ≥ 10 (13,7 vs. 17,4 min; p = 0,007). Es zeigte sich eine signifikante, aber letztlich schwache Korrelation zwischen ESS- und MSLTWerten (r = -0,28; p = 0,001) und damit zwischen der objektiven und subjektiven Müdigkeit am Tage.
Bei Patienten mit einem ESS-Score > 10 fanden sich mit Ausnahme eines höheren BMI und gehäufter Schmerzbeschwerden keinerlei signifikante Assoziationen mit dem großen Spektrum an Symptomen oder Merkmalen. Die nach MSLT Betroffenen wiesen ebenfalls einen höheren BMI auf, jedoch keine Schmerzen, und im Gegensatz zum ESS zusätzlich einen höheren AHI. Mit der MSLT-Latenz < 8 min korrelierten höhere Levodopa-Äquivalent-Dosen wider Erwarten nur tendenziell. zie
Kommentar

Diese äußerst detailreiche Studie wirft die Frage auf, ob der ESS-Cut-off-Wert von < 10 oder aber die ESS überhaupt geeignet ist, eine subjektiv wahrgenommene Tagesmüdigkeit adäquat zu erfassen, oder ob sie durch andere Skalen ersetzt werden sollte. Mögliche klinische Implikation der Studienresultate könnte sein, eine Tagesmüdigkeit über Gewichtsabnahme, Schmerzbekämpfung und ggf. die Behandlung eines Schlafapnoe- Syndroms zu reduzieren.

Quelle:

Cochen de Cock V et al.: Daytime sleepiness in Parkinson’s disease: a reappraisal. PLOS ONE 2014; 9: e107278 [Epub ahead of print

ICD-Codes: G20

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