Therapie chronischer Schmerzen

Neuro-Depesche 1-2/2020

Häufiger oder seltener Opioide für psychisch Kranke

Die Daueranwendung von Opioid-Analgetika birgt ein hohes Suchtpotenzial. Ob psychisch schwer erkrankten Patienten aufgrund nicht-krebsbedingter Schmerzen eher häufiger oder eher seltener Opioide verschrieben werden, wurde in einer US-Studie untersucht. Ergebnis: Je nach psychiatrischer Störung war beides der Fall.
In den Krankenakten des Mental Health Research Network wurden 65.750 Personen mit einer Major-Depression-Diagnose (MDD), 38.117 mit einer bipolaren Erkrankung (BD) und 12.916 mit einer Schizophrenie oder schizoaffektiver Störung identifiziert. Bei ihnen wurde die Verordnung verschreibungspflichtiger Opioide gegen chronische, nicht-krebsbedingte Schmerzen (CNCP) untersucht.
Die multivariaten Analysen ergaben, dass eine CNCP-Diagnose nach Kontrolle auf Alter, Geschlecht, Rasse, Einkommen, medizinische Komorbiditäten und Inanspruchnahme von Gesundheitsressourcen bei den Patienten mit affektiven Erkrankungen doppelt so hoch und signifikant wahrscheinlicher waren: Die entsprechenden Odds Ratios (OR) betrugen 1,90 bei MDD (95 %-KI: 1,85 – 1,95) und 1,71 (95 %-KI: 1,66 – 1,77) bei BD. Im Gegensatz dazu war die Diagnose einer Schizophrenie mit einer verringerten Wahrscheinlichkeit für eine chronische Schmerzdiagnose assoziiert (OR: 0,86; 95 %-KI: 0,82 bis 0,90).
Dem entsprechend gingen die Diagnosen einer MDD und einer BD auch mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einher, dauerhaft Opioid-Medikamente zu erhalten (OR: 2,59; 95 %-KI: 2,44-2,75) bzw. OR: 2,12; 95 %-KI: 1,97 – 2,28), während die Diagnose einer Schizophrenie nicht mit der Dauereinnahme von Opioidmedikamenten in Verbindung stand (OR: 0,86; 95 %-KI: 0,82 bis 0,90) – selbst nicht nach Kontrolle auf Alter, Geschlecht, Rasse, Einkommen, medizinische Komorbiditäten, Inanspruchnahme des Gesundheitswesens und komorbide andere chronische Schmerzdiagnosen. HL
Kommentar
Personen mit schweren psychischen Erkrankungen, bei denen das größte Risiko besteht, opioidbedingte Probleme zu entwickeln, werden weiterhin häufiger Opioide verschrieben als Gleichaltrigen ohne psychische Erkrankungen. Psychiater sind, so die Autoren, möglicherweise besonders gut geeignet, um die Schmerzbeurteilung und das Schmerzmanagement für diese Patienten zu leiten. Dies erscheint nicht zuletzt vor dem Hintergrund geboten, dass sich persistierende Schmerzen negativ auf das Engagement für den Erhalt der psychischen Gesundheit und nicht zuletzt auch auf die Adhärenz mit der Pharmako- oder Psychotherapie auswirken können.
Quelle: Owen-Smith A et al.: Chronic pain diagnoses and opioid dispensings among insured individuals with serious mental illness. BMC Psychiatry 2020; 20(1): 40 [Epub: 31. Jan.; doi: 10.1186/ s12888-020-2456-1]
ICD-Codes: R52.2

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