Antidepressiva, Antipsychotika, Anxiolytika und mehr

Neuro-Depesche 4/2020

Psychopharmaka bei Demenz-Kranken

Zertifizierte Fortbildung
Trotz der Gefahr teils schwerer Nebenwirkungen werden verschiedene Psychopharmaka auch bei demenziell erkrankten Menschen häufig eingesetzt. Jetzt wurden die Neuverordnungen bei Demenz-Kranken nach einem Klinikaufenthalt ausgewertet.
In der retrospektiven K Kohortenstudie wurden die Verordnungsdaten der AOK Hessen (2004 – 2015) von 8.119 Demenz-Patienten (durchschnittlich 79,5 Jahre alt, 61 % weiblich) analysiert. Vor Studieneinschluss hatten bereits 34,4 % Antidepressiva, 37,3 % Antipsychotika und 22,9 % Anxiolytika oder Hypnotika/Beruhigungsmittel erhalten.
Im Beurteilungszeitraum von bis zu 30 Tagen nach Entlassung aus dem Krankenhaus kam es relativ häufig zur Neuverordnung von Psychopharmaka: Bei 1,8 % wurden Antidepressiva neu angesetzt, bei 2,1 % Anxiolytika oder Hypnotika/Beruhigungsmittel und bei 7,1 % Antipsychotika. Bei jeweils der Mehrheit – 83,0 %, 56,9 % und 61,9 % – lag die Verordnungsdauer über sechs Wochen.
 
Prädiktoren
Neuropsychiatrische Symptome (NPS) und ein hoher Pflegebedarf (Pflegegrad 3) erhöhten die Wahrscheinlichkeit, neu Antidepressiva, Antipsychotika und Anxiolytika oder Hypnotika/Beruhigungsmittel zu erhalten, jeweils deutlich. Dies war – Ausnahme Antidepressiva – auch bei einem Delir der Fall.
 
Antipsychotika-Neuverordnung
Deutlich erhöhte Odds Ratios (OR) für eine neue Antipsychotikum-Verordnung ergaben sich bei Wahn/Halluzination/ akuter Psychose (OR: 2,47), bei Agitation/ Wut/Feindseligkeit (OR: 1,73) und bei Angst (OR: 1,84) sowie bei Delir der Demenz- Kranken (OR: 2,13). Betroffen waren vor allem Patienten mit Lewy-Körperchen- Demenz (OR: 1,35) und jene mit Pflegegrad 3 (OR: 4,01). JL
Kommentar
Klinikaufenthalte stellen oft einen Anlass dar, eine Medikation zu ändern und diese den weiterbehandelnden Ärzten zu empfehlen. Bei den Demenz- Kranken dieser Studie führten vor allem neuropsychiatrische Symptome (NPS), Delir und Pflegebedarf zur Neuverordnung von Psychopharmaka. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, für NPS und Delir präventive Interventionen und nicht-medizinische Therapieoptionen zu erforschen bzw. zu erwägen, so die Autoren. Außerdem sollten Screening-Tools für eine unangemessene Pharmakotherapie intensiver eingesetzt werden.


Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle: Möllers T et al.: New use of psychotropic medication after hospitalization among people with dementia. Int J Geriatr Psychiatry 2020 [Epub 25. Feb.; doi: 10.1002/gps.5282]

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