Hirnatrophie-Rate bei MS

Neuro-Depesche 9/2015

Vorschlag für Grenzwerte aus Italien

Gegenüber Gesunden zeigen MS-Patienten einen mehrfach höheren Hirnvolumenverlust, der seinerseits in Bezug auf die kumulative Behinderung und die Kognition als prognostisch ungünstig anzusehen ist. Um die Hirnatrophie als MS-Verlaufsparameter fassbar und vergleichbar zu machen, schlagen führende italienische MS-Experten nun Grenzwerte für eine pathologische Hirnatrophie-Rate vor.

Ausgewertet wurden die MRT-Längsschnittdaten von 206 MS-Patienten (RRMS: 87%, SPMS: 7%, PPMS: 6%) und 35 gesunden Kontrollen über durchschnittlich 7,5 bzw. 6,3 Jahre. 85% der Patienten waren immunmodulatorisch behandelt worden. Mit der Software SIENA wurde anhand der T1-gewichteten Scans die annualisierte prozentuale Hirnvolumenänderung (PBVC/y) ermittelt. Die auf die Follow-up-Dauer gewichtete PBVC/y war in der MS-Gruppe mit -0,51 (±0,27%) fast doppelt so hoch wie bei den Gesunden -0,27 (±0,15%) (p < 0,0001). Nur in der Kontrollgruppe fand sich dabei ein signifikanter altersabhängiger Unterschied (< 35: -0,20% vs. ≥ 35 Jahre: -0,32%; p = 0,02), nicht aber bei den MS-Patienten (-0,52% vs. -0,51%; p = 0,8). Bemerkenswerterweise war die Atrophie-Rate bei den behandelten vs. unbehandelten MS-Patienten im Durchschnitt tendenziell höher (-0,53% vs. -0,43%; p = 0,1), ebenso bei den RRMS- vs. PPMS-Patienten (-0,52% vs. -0,45%; p = 0,2). Der PBVC/y korrelierte im mehreren Modellen signifikant mit der EDSS-Zunahme. . Die Grenzwerte für eine pathologische Atrophie und die resultierende Spezifität stellten sich wie folgt dar: PBVC/y > -0,52% = 95%-ige Spezifität, > -0,46% = 90%-ige und > -0,40% = 80%- ige Spezifität. Die maximale Unterscheidungsgenauigkeit zwischen MS-Patienten und Gesunden fand sich in diesem Kollektiv bei einem Grenzwert für eine SIENA-PBVC/y von -0,37% mit einer Sensitivität von 67% und einer Spezifität von 80%. JL

Kommentar

Sollten sich diese spezifischen Cut-off-Werte für die Unterscheidung zwischen physiologischer und pathologischer Hirnatrophie als zuverlässig erweisen, könnten diese nicht zuletzt als Wirksamkeitsparameter für den Vergleich von MS-Therapie-Gruppen dienen. Die Beurteilung eines individuellen Verlaufs ist dadurch aber nicht unbedingt gegeben.

Quelle:

De Stefano N et al.: Establishing pathological cutoffs of brain atrophy rates in multiple sclerosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2015 [Epub 22. April; doi: 10.1136/jnnp-2014-309903]

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