Bei MS unterschätztes Phänomen

Neuro-Depesche 11/2015

Unter Dysphagie leidet mindestens ein Drittel

Schluckstörungen sind ein belastendes, gerade in fortgeschrittenen Krankheitsstadien oft lebensbedrohliches Symptom, das bei MS-Patienten gemeinhin unterschätzt wird. Chinesische Neurologen verschafften sich einen systematischen Überblick über die Literatur und führten zur Prävalenz von Dysphagien eine Metaanalyse durch.

Aus dem Zeitraum 1980 bis August 2014 fanden sich 15 veröffentlichten Studien mit insgesamt 4510 Teilnehmern. Anhand der Diagnosekriterien wurden die Patienten in eine subjektiv und eine objektiv diagnostizierte Gruppe aufgeteilt: Erstere hatten in 12 Studien zumeist den Fragebogen Dysphagia in Multiple Sclerosis Questionnaire (DYMUS) ausgefüllt (sowie einen Schlucktest in einer Studie durchgeführt), bei Letzteren war die Dysphagie-Diagnose in vier Studien mittels Videofluoroskopie und Glasfaserendoskopie gestellt worden.
Bei jeweils hoher Heterogenität zwischen den einzelnen Studien ergab sich in der subjektiv diagnostizierten Gruppe eine gepoolte Prävalenz an Schluckstörungen von 36% (95%-KI: 31–42 %), bei den objektiv diagnostizierten Patienten von 81% (95%-KI: 67–94 %). Die großen Unterschiede könnten auf Patienten-Selektion (u. a. Schwere der MS nach EDSS), Diagnosemethode, Publikationsjahr, Gruppengrößen sowie Studienort, -art oder -dauer beruhen: Beispielsweise war die mittels DYMUS-Fragebogen diagnostizierte Rate an Dysphagien niedriger als mit anderen Fragebögen ermittelte, im Jahr 2013 höher als in den Vorjahren, in Europa (8 Studien) mit 51% höher als in den übrigen Ländern mit 31%. Eine Limitation der Metaanalyse besteht darin, dass es sich hier ausschließlich um Querschnittstudien und keine Kohorten- oder Fall-Kontroll-Studien handelte. LKK
Kommentar

Auf Schluckstörungen sollte im klinischen Alltag stärker geachtet werden: Unter Berücksichtigung der je nach Diagnosemethode unterschiedlichen Dysphagie-Prävalenz bei MS, ist nach Schussfolgerung der Autoren mindestens ein Drittel der Patienten betroffen. Bei Dysphagie-Verdacht scheint es angeraten, sich weniger auf Fragebögen zu verlassen, sondern objektive Untersuchungsmethoden zu wählen, insbesondere bietet sich dazu die Videofluoroskopie (VFSS) an.

Quelle:

Guan X-L et al.: Prevalence of dysphagia in multiple sclerosis: a systematic review and meta-analysis. Neurol Sci 2015; 36(5): 671-81

ICD-Codes: R13

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