Psychose-Symptome nach Absetzen von Antipsychotika

Neuro-Depesche 9/2018

Rezidiv – oder vielleicht Entzugserscheinung?

Bei Schizophrenie-Patienten werden nach abruptem Absetzen ihrer antipsychotischen Medikation hohe Rezidivraten verzeichnet. Doch handelt es sich dabei wirklich um ein Aufflammen der Psychose − oder vielleicht eher um Entzugserscheinungen?

Von März 2006 bis Feb. 2007 wurden Schizophrenie-Patienten nach einer Einleitungsphase mit oralem Paliperidon (PP) über neun Wochen auf eine flexible Dosis des Atypikums (1 x monatlich 25, 50 oder 100 mEq i.m., PP1M) umgestellt. Lag der Gesamtscore der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) in Woche 9 bei ≤ 75, erhielten sie 12 Wochen weiterhin das flexible PP1M und weitere 12 Wochen fix die Erhaltungsdosis. In der folgenden Doppelblindphase erhielten stabile Patienten 52 Wochen lang weiterhin PP1M (n = 206) oder sie wurden auf Placebo (n = 204) umgestellt. 410 Patienten traten in die Doppelblindphase ein, 352 durchliefen diese ganz.
Unter der weitergeführten Verum-Therapie hatten in der Doppelblindphase 36 Patienten (17,6%) ein Psychoserezidiv, nach der Umstellung auf Placebo 97 (47,5%; Odds Ratio: 3,60). Letzere waren häufiger älter und männlich. Bei 62 Placebo-Patienten trat das Ereignis in den ersten drei Monaten nach Umstellung auf, bei 35 danach.
Das Hauptergebnis der aktuellen Untersuchung ist, dass sich zwischen den Patienten mit Rückfall unter PP1M und unter Placebo in keiner der untersuchten Variablen ein signifikanter Unterschied ergab. Der anfängliche PANSS-Gesamtscore unter Erhaltungstherapie und Placebo zu Baseline betrug 54,5 vs. 54,1 und im Rezidiv 75,6 vs. 75,2 (p = 0,9). Die Vergleichbarkeit betraf auch alle Subitems der PANSS. Außerdem verbesserten sich die Psychose-Symptome nach dem akuten Rückfall in beiden Gruppen in ähnlicher Weise.
Schließlich fanden sich bei den Patienten mit neuem psychotischen Schub nach Antipsychotika-Absetzen keine Anzeichen für einen Blutdruck- oder Pulsanstieg, für Dyskinesien, Antipsychotika-Toleranzentwicklung oder Prolaktin-Erhöhungen. Dies wiederspricht auch der Theorie einer Neuroleptika-induzierten Supersensitivitäts-Psychose, die als Aspekt einer Absetz-Entzugssymptomatik postuliert wurde. Der Vergleich der 62 innerhalb von drei Monaten und 35 erst danach akutpsychotisch gewordenen Patienten ergab ebenfalls keinerlei signifikante Differenzen. HL
Quelle:

Emsley R et al.: Relapse after antipsychotic discontinuation in schizophrenia as a withdrawal phenomenon ... J Clin Psychiatry 2018; 79(4) [Epub 19. Juni; doi: 10.4088/JCP.17m11874]

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x