Zwangsstörungen

Neuro-Depesche 4/2006

Krankheitseinsicht und Hirnanomalien korrelieren

Nach DSM-IV können bei Zwangsstörungen zwei Subtypen unterschieden werden: Patienten mit Krankheitseinsicht und jene ohne bzw. mit nur minimaler Krankheitseinsicht ("Poor-insight"). Österreichische Wissenschaftler gingen nun der Frage nach, ob zwischen "Poor-insight" und der Häufigkeit struktureller Hirnanomalien ein Zusammenhang besteht.

Bei 84 zwangskranken Patienten im Durchschnittsalter von 38 Jahren (35 Frauen, 49 Männer) wurde mit Hilfe der DSM-IV-Kriterien der Zwangsstörungs-Subtyp ermittelt. Bei allen Patienten wurde eine kraniale MRT durchgeführt. Die Aufnahmen wurden von zwei Neuroradiologen geblindet geprüft und dann im Konsensverfahren befundet. Mindestens eine strukturelle Anomalie in der MRT (z. B. Größenunterschiede zwischen rechter und linker Seite, Läsionen der weißen Substanz oder kortikaler Areale, Erweiterung der Virchow-Robin-Räume etc.) wurde bei 48% des gesamten Patientenkollektivs festgestellt. Zwischen den beiden verglichenen Gruppen ergab sich ein signifikanter Unterschied: In der "Poor-insight"-Gruppe lagen bei 83% der Patienten Anomalien vor, in der Gruppe mit Krankheitseinsicht war dies nur bei 21% der Fall. Der Unterschied war signifikant mit einem p-Wert < 0,001. Die Odds Ratio betrug 19,0, Hirnanomalien waren bei Patienten ohne Einsicht also etwa zwanzigmal wahrscheinlicher. Unter den 40 Patienten mit positiven MRT-Befunden gehörten zehn zur Gruppe mit Krankheitseinsicht und 30 zur jener mit verminderter oder fehlender Einsicht. Unter Letzteren waren bei neun Patienten die Basalganglien betroffen, gefolgt von Anomalien der Parietallappen und des Ventrikelsystems (jeweils n = 7). Diese Zusammenhänge könnten nicht nur pathoätiologisch von Interesse sein, sondern sich möglicherweise auch im Hinblick auf das therapeutische Outcome nutzen lassen. Bei Patienten mit fehlender Einsicht könnte es sich eher um "organisch geprägte Zwangsstörungen" handeln, die schlechter auf eine Behandlung ansprechen.

Quelle: Aigner, M: Magnetic resonance imaging in patients with obsessive-compulsive disorder with good versus poor insight, Zeitschrift: PSYCHIATRY RESEARCH, Ausgabe 140 (2005), Seiten: 173-179

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