Major Depression in der BRIDGE-Studie

Neuro-Depesche 12/2011

Fast die Hälfte mit Bipolar-Erkrankung?

Hinter dem Bild einer akuten Major-Depression-Episode verbirgt sich nicht selten eine bipolare Störung. Die Prävalenz einer Bipolar-Erkrankung bei Menschen mit unipolarer Depression haben Wissenschaftler am University of Texas Health ­ Science Center jetzt in der großen multinationalen, transkulturellen Studie Bipolar Disorders: Improving Diagnosis, Guidance and Education (BRIDGE) analysiert.

Ausgewertet wurden die an verschiedenen psychiatrischen Abteilungen gesammelten Daten von insgesamt 5635 Erwachsenen mit einer anhaltenden schweren Depression. Eine bipolare Störung wurde gemäß zweier Definitionen beurteilt, einmal anhand der DSM-IV-Forschungskriterien und einmal mittels der von Jules Angst et al. (2003) entwickelten und validierten sogenannten „Bipolarity specifier“-Kriterien, der über die DSM-IV-TR-Kriterien hinausgehende Symptome erfasst, z. B. solche, die während einer antidepressiven Behandlung auftreten sowie die Familiengeschichte und den bisherige Krankheitsverlauf.

Die DSM-IV-TR-Kriterien für eine bipolare Störung erfüllten 903 Patienten (16,0%; Bipolar I: 12,2%, Bipolar II: 3,9%), doch anhand des „Bipolar-Spezifizierers“ litten 2647 Personen und damit nahezu jeder zweite unter einer Bipolarität (47,0%). In der logistischen Regressionsanalyse fanden sich in beiden Definitionsgruppen mehrere Risikofaktoren für eine bipolare Störung, darunter eine positive Familienanamnese für eine Manie/Hypomanie, ≥ 2 vorangegangene affektiven Episoden, Alter < 30 Jahren bei Auftreten erster psychiatrischer ­Symp­tome, gegenwärtige unipolare Episode mit psychotischen Zeichen und Suizidversuche in der Anamnese. Signifikant mit einer Odds Ratio > 2,0 (p < 0,001) waren die Zusammenhänge zwischen Bipolarität familienanamnestische Manie/Hypomanie und ≥ 2 bisherige affektiven Episoden.

Mit dem bipolaren „Specifier“ konnte allerdings zusätzlich eine deutliche Assoziation einer Bipolarität mit Manien/Hypomanien während Antidepressiva-Einnahme (OR: 9,6) sowie mit einem Substanzmissbrauch (OR: > 2,0) und mit einer gegenwärtigen gemischten Episoden (OR jeweils > 2,0) identifiziert werden.

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Fazit
?! Mit dem bereits 2003 entwickelten und 2008 validierten bipolaren Spezifizierer wurde in diesem großen Kollektiv unipolar depressiver Patienten dreimal soviel Fälle einer bipolaren Störung identifiziert wie anhand der DSM-IV-TR-Kriterien: Danach wies nahezu jeder zweite die Bipolar-Kernsymptome auf. Für den Behandlungsalltag wichtige, auf eine Bipolar-Störung bei Depressiven hinweisende Faktoren bestehen vor allem in Substanzmissbrauch, mehrfachen Akutepisoden und eine Manie/Hypomanie unter bisheriger Antidepressiva-Einnahme. Vor Therapiebeginn sollte eine Bipolarität unbedingt ausgeschlossen werden, um eine Verschlimmerung der Symptome oder die Auslösung einer Manie/Hypomanie durch eine falsche Therapie, z. B. mit Antidepressiva statt mit Phasenprophylaktika, zu verhindern.

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