Penicillin-Allergien zählen zu den am häufigsten gemeldeten Arzneimittelunverträglichkeiten. In Europa sind Penicilline für bis zu 20 % der Todesfälle durch Arzneimittel-bedingte Anaphylaxien verantwortlich. Besteht der Anfangsverdacht auf eine Allergie, erhalten Patient:innen alternative Behandlungen – einschließlich Breitband-Antibiotika. Die Folge sind unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), bakterielle Resistenzen und erhöhte Kosten für das Gesundheitswesen.
Eine Studie mit 1.203 Patient:innen ergab, dass 90 % der Teilnehmer:innen, die vormals als allergisch eingestuft waren, nach Testung keine Überempfindlichkeit auf BLA aufwiesen. BLA-Allergien seien ein ernstzunehmendes Problem, eine vorschnell diagnostizierte Überempfindlichkeit sei jedoch ebenfalls problematisch. Viele der vermeintlichen Allergiker:innen wiesen bei einer Testung keine Überempfindlichkeit auf, trugen dieses Label jedoch bereits seit Kindertagen. Das gelte es zu ändern, so Merk.
Der Experte appellierte an Pädiater:innen: „Wenn Sie eine Reaktion bei Kindern sehen, sollten Sie eine Diagnostik durchführen.“ Der Algorithmus zur Diagnostik einer BLA-Allergie umfasst Anamnese, Laboruntersuchungen (u. a. spez. IgE) und Hautprick- bzw. Intrakutantests. Für Letztere steht das seit 2019 in Deutschland zugelassene Penicillin Testkit zur Verfügung. Es dient zur Diagnose von Typ-1-Allergien gegen Major- oder Minordeterminanten. Es wird in der aktuellen, konsensbasierten S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) erwähnt und ist so konzipiert, dass Patient:innen mit reizfreien, diagnostischen Konzentrationen getestet werden, wobei die Reagenzienkonzentrationen der Leitlinie entsprechen. Das Testkit enthält Penicillin-Derivate und dient der Durchführung von Hautprick- und Intrakutantests.
Eine fälschlich diagnostizierte BLA-Überempfindlichkeit resultiert in einem unnötigen Verzicht auf eine wichtige Wirkstoffklasse. Die Folge sind längere Krankenhausaufenthalte, eine vermehrte Behandlung mit Fluorchinolonantibiotika, Clindamycin und Vancomycin (höhere Kosten und Resistenzentwicklung) und eine Zunahme von C. difficile- und MRSA-Infektionen.