Neues Wirkprinzip in der Behandlung der MS

Neuro-Depesche

BTK-Hemmer gegen periphere und zentrale Entzündung

Für Patienten mit einer schubförmigen MS (RMS) haben sich die Therapiemöglichkeiten in den letzten Jahren enorm erweitert. Jetzt liegen immer mehr Daten zu den in klinischer Prüfung befindlichen Hemmern der Bruton-Tyrosinkinase (BTK) wie Evobrutinib vor. Dieses neue Wirkprinzip erläuterten internationale Experten auf einer acadMe-Fortbildungsveranstaltung von Merck in Unterschleißheim.

Die MS wird heute trotz der unterschiedlichen Phänotypen (schubförmig versus progressiv) zunehmend als Kontinuum angesehen, berichtete PD Joachim Havla, München. Dem gegenwärtigen Kenntnisstand tragen neben der von Schüben abhängigen klinischen Progression (Relapse associated Progression, RAW) vor allem die von der Schubaktivität unabhängige Progression (Progression Independent of Relapse Activity, PIRA) und „schwelende“ MS-Läsionen zum Fortschreiten der Erkrankung bei. Dies harmoniert mit der Beobachtung, dass sich bereits Patienten in frühen RMS-Stadien trotz schubprophylaktisch hochwirksamer Medikamente zunehmend klinisch verschlechtern. In einer deutschen Studie wiesen 66% der RRMS-Patienten eine von Schüben unabhängige Behinderungsprogression auf. Dem liegt zugrunde, dass herkömmliche MS-Therapien die schubunabhängigen „schwelenden“ Entzündungsprozesse im ZNS-Kompartiment hinter der Blut-Hirn-Schranke nicht ausreichend reduzieren. Genau auf diese mit der Krankheitsprogression assoziierte – kompartimentalisierte Inflammation sollen die BTK-Hemmer besonders einwirken.

Die BTK hat eine wichtige Funktion bei der B-Zell-Reifung und greift als Signalmolekül in die intrazellulären Übertragungswege des B-Zell-Antigenrezeptors (BCR) und des Zytokinrezeptors ein. Ihre Überexpression ist mit einer Zunahme an autoreaktiven B-Zellen und Antikörpern assoziiert. Die oral verabreichten BTK-Hemmer sind hirngängige ‚Small molecules‘, die außer auf B-Zellen auch auf Komponenten des angeborenen Immunsystems wie Mikroglia und Makrophagen einwirken und eine neue Wirkstoffklasse zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen darstellen, berichtete Prof. Martin Kerschensteiner, München. So sollen sie u.a. die Migration von Immunzellen ins ZNS, die pathogenetische wichtige T-Zell-Aktivierung, die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine/ neurotoxischer Substanzen sowie die meningeale Inflammation reduzieren und die Remyelinisierung fördern.

Wie Prof. Gavin Giovannoni, London, ausführte, werden die B-Zellen durch die BTK-Hemmer eher gehemmt als depletiert. Derzeit befinden sich sechs BTK-Hemmer in klinischen Studien der Phase I bis III und einer in der präklinischen Entwicklung. Zu Evobrutinib und Tolebrutinib liegen in peer-reviewed Journalen Phase-II-Ergebnisse bei MS-Patienten vor. Zweimal täglich 75 mg Evobrutinib reduzierten das absolute Volumen der sich langsam vergrößernden Läsionen (Slowly expanding lesions, SLE) als Marker der zentralen Entzündung in einer Studie signifikant (p = 0, 047). Die gleiche Dosis des BTK-Hemmers verringerte die jährliche Schubrate in der Open-label-Verlängerung einer Doppelblindstudie am Ende auf 0,09.

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