Poster vom Deutschen Schmerzkongress 2021

Deutscher Schmerzkongress, 19. bis 23. Oktober 2021

Neuro-Depesche 11-12/2021

Kopfschmerz bei Kindern und Jugendlichen, COVID-19-Schmerzen, Cannabis und mehr

Die als Hybrid-Veranstaltung – online und physisch in Mannheim – durchgeführte Jahrestagung der Deutschen Schmerzgesellschaft (DSG) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) stand unter dem Motto „Wissen schaffen – Wissen leben“. 200 Referenten trugen vor, mehr als 1.000 Besucher waren in Mannheim vor Ort und etwa 600 schalteten sich online dazu.
Schwerpunktthemen der Online-Pressekonferenz des Kongresses waren u. a. Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen, COVID-19-assoziierte Schmerzsyndrome und die (zukünftige) Anwendung von medizinischem Cannabis.
 
Kopfschmerz bei Kindern und Jugendlichen nicht bagatellisieren
Eine nordeuropäische Studie belegt bei Schülern einen deutlichen Anstieg der Kopfschmerzhäufigkeit über die letzten 30 Jahre, für den Lebensstilfaktoren wie Bewegungsmangel, emotionaler Stress und erhöhte Leistungsanforderungen verantwortlich gemacht werden. In einer Querschnittsstudie mit mehr als 2.700 Schüler(inne)n berichteten über zwei Drittel regelmäßige Kopfschmerzen, schilderte PD Gudrun Goßrau, Dresden. Mehr als 20 % von ihnen mit ≥ 2 Kopfschmerztagen im Monat fehlten dadurch regelmäßig in der Schule. „Eltern sollten Kopfschmerzen nicht bagatellisieren, sie können den Alltag und die Zukunft junger Menschen stark beeinträchtigen“, so Goßrau. Nur die wenigsten Betroffenen erhalten eine ärztliche Diagnose bzw. Therapie, viele werden in Eigenregie mit OTC-Präparaten behandelt, kritisierte sie. Akuter Handlungsbedarf besteht u. a. auch, weil eine Migräne in der vulnerablen Phase zwischen Jugend- und Erwachsenenalter das Risiko für Schmerzen im späteren Leben erhöht. Die Expertin konstatierte einen mit den derzeitigen Therapiestrukturen in Deutschland nicht abgedeckten Versorgungsbedarf. Gezielt eingesetzt können dabei häufig schon einfache Maßnahmen wie Umstellung des Tagesrhythmus, mehr Entspannungszeiten, ausreichendes Trinken und geordnetes Schlafen helfen. „Auch regelmäßiger Sport und weniger Termindruck reduzieren Kopfschmerzen erheblich“, betonte Goßrau.
 
Akute und chronische Schmerzen bei COVID-19
Akute Kopfschmerzen und Myalgien zählen mit 20 % bis 30 % zu den häufigsten initialen Beschwerden bei COVID-19-Infektionen, so Prof. Andreas Straube, München. Sechs Wochen bis drei Monate nach Abklingen der Infektion persistieren Kopfschmerzen bei knapp 40 % der Betroffenen. „Diese Phänomene sind zwar inzwischen gut beschrieben und zahlenmäßig erfasst – die Mechanismen, auf denen sie beruhen, sind jedoch noch weitgehend unklar“, sagte Straube. Für diesen postviralen Kopfschmerz wird u. a. die anhaltende Aktivierung des Inflammasoms verantwortlich gemacht – ein Pathomechanismus, der auch zur Chronifizierung primärer Kopfschmerzen wie der Migräne beizutragen scheint. Aufgrund der vielen intensivmedizinisch behandelten COVID-Patienten, sagte Prof. Winfried Meißner, Jena, deutet sich zukünftig bei den Spätfolgen ein erheblicher Behandlungsbedarf an. Dies schließt auch Schmerzen ein.
 
Cannabis auf Rezept – wie geht es weiter?
Trotz fehlender Zulassung werden medizinisches Cannabis, Cannabisblüten und -extrakte seit 2017 auf Rezept verordnet . Allein im ersten Halbjahr 2021 erstatteten die GKV für 185.000 Einzelverordnungen fast 90 Mio. Euro, berichtete Prof. Frank Petzke, Göttingen. Ein sicherer Wirknachweis aus hochwertigen Studien steht noch aus, die Risiken einer längerfristigen Behandlung sind kaum untersucht, hob er hervor. Allerdings werden in etwa zwei Drittel der 10.000 in der aktuellen Begleiterhebung dokumentierten Fälle positive Effekte verzeichnet, vor allem auf chronische Schmerzen, so Petzke. 2022 soll die Begleiterhebung final ausgewertet werden. Deren Ergebnisse dürften sich darauf auswirken, wie sich der Umgang mit medizinischem Cannabis in Zukunft gestalten wird. Im Spannungsfeld zwischen erweiterten Therapiemöglichkeiten, Patientenwünschen, mangelnder Evidenz und nicht zuletzt finanziellen Interessen will sich die DSG an einem konstruktiven Dialog mit allen Akteuren beteiligen.
 
Immunologie im Fokus der FMS-Forschung
Einen Überblick über den Forschungsstand zum Fibromyalgie-Syndrom (FMS), gab Prof. Nurcan Üçeyler, Würzburg. Noch liegen die Ursachen dieser durch unspezifische Symptome gekennzeichneten, belastenden, meist Frauen betreffenden Erkrankung im Dunklen. War die Aufdeckung einer Small-Fiber-Pathologie bei einem Teil der Betroffenen ein Meilenstein, stehen derzeit vor allem immunologische Aspekte im Fokus. So wurden jüngst bei einer Subgruppe von Patient(inn)en IgG-Autoantikörper nachgewiesen, die bei Mäusen die Sensitivität für mechanische und thermische Reize erhöhten. Allerdings ist noch unbekannt, gegen welches Antigen sie gerichtet sind, so Üçeyler. Eine andere Studie zum FMS ergab einen Mangel an natürlichen Killerzellen mit Überaktivität der übrigen Leukozyten. Bei beiden Phänomenen scheinen Assoziationen zur verminderten peripheren Innervierung der Erkrankten zu bestehen.
Quelle: Alle hybriden Sitzungen lassen sich noch bis Oktober 2022 online ansehen (www.deutscherschmerzkongress.de).
ICD-Codes: R52.2
Urheberrecht: Schmerzkongress-2021_Flyer_Ankuendigung

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