Seit zwei Tagen hatte der Patient, der sich im Krankenhaus in Memphis vorstellte, Schwierigkeiten beim Gehen. Seit einer Woche waren ansteigendes hohes Fieber und Schüttelfrost aufgetreten; der Patient berichtete über nachlassendem Appetit, Myalgien, diffusen Kopfschmerzen und Photophobie. In der neurologischen Untersuchung war er leicht delirant, der Blickkontakt und die Aufmerksamkeit waren reduziert. Er bot eine mäßige cerebellare Dysarthrie. Im Finger-Nase- und Knie-Hacken-Versuch zeigte sich eine leichte Ataxie. Rumpf- und Standataxie waren deutlich ausgeprägt. Das Atemgeräusch war abgeschwächt und Rasselgeräusche waren in den unteren Lungenabschnitten auskultierbar. Erhöhte Werte fand man für Aspartataminotransferase, Alaninaminotransferase, Lipase, Amylase und Kreatinkinase. Im Liquor lag die Proteinkonzentration mit 76 mg/dl über dem Normbereich. Die Röntgenaufnahme des Thorax zeigte infrahiläre Verschattungen. Agglutinationsreaktionen vom sechsten Tag nach der Aufnahme waren für Antikörper gegen Francisella turarensis positiv (1:40). Positiv für Francisella tularensis verlief auch die Blutkultur, die am Aufnahmetag angelegt wurde. Es lag eine thorakale bzw. pulmonale Form einer Tularämie vor. Durch die Behandlung mit den Antibiotika Doxycyclin, Gentamycin und Ciprofloxacin stellte sich eine vollständige Remission ein.
Auf bakterielle Infektion achten
Neuro-Depesche 9/2000
Cerebellare Ataxie durch Francisella tularensis
Kleinhirnläsionen können frühe oder hauptsächliche Symptome viraler und bakterieller Infektionen sein. Die Tularämie eines 61-jährigen Patienten manifestierte sich zunächst als Gangataxie.
Quelle: LeDoux, M: Tularämie presenting with ataxia, Zeitschrift: CLINICAL INFECTIOUS DISEASES, Ausgabe 30 (2000), Seiten: 211-212