Online-Forum statt Kongress Saal

ANIM 2022 – 22. bis 24. Januar 2022

Neuro-Depesche 3/2022

Zwischen Forschung und Praxis – NeuroIntensivmedizin im Fokus

Der Kongress der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) fand nicht wie geplant in Ludwigsburg, sondern digital statt. Vom 22. bis 24. Januar 2022 konnten die Teilnehmer aus mehr als 70 Vorträgen und Postersitzungen wählen, die mit bis zu sechs parallelen Streams live übertragen wurden.
Schwerpunkte des interdisziplinären Fachkongresses waren u. a. Erkrankungen des Rückenmarks, Delir auf der Intensivstation und die Subarachnoidalblutung sowie aktuelle Entwicklungen zu COVID-19. Hier einige Einblicke.
 
SAB und symptomatische Aneurysmen
Während der Pandemie ist die Inzidenz von Herzinfarkten und Schlaganfällen um bis zu 22 % gesunken, während Verlauf und Outcome der SAB und symptomatischer Aneurysmen komplizierter geworden zu sein scheinen. Der Vergleich der Zeitperioden 16. März 2020 (erster Lockdown) bis 31. Jan. 2021 und 16. März 2019 bis 31. Jan. 2020 in einem Haus der Maximalversorgung ergab, dass die Fälle neurochirurgisch behandelter Notfälle – allesamt negativ auf COVID19 getestet – signifikant anstiegen (p = 0,04). Die Gesamtzahl aller symptomatischen Aneurysmen nahm während der Pandemie um 20 % zu (39 vs. 47 Fälle). Gleichzeitig stieg die Zahl schwer betroffener Fälle (Hunt & Hess 5) um 40 % und der Patienten mit einer ausgedehnten Blutung im CT (Fischer-Skala 4) um 63 % an. Entsprechend erhöhte sich die Notwendigkeit einer externen Ventrikeldrainage (EVD) um 6,3 %. Symptomatische Vasospasmen traten während der Pandemie 1,6-mal häufiger auf (19,5 % vs. 12 %). Gleichzeitig nahm die Mortalität um 83 % zu. Offensichtlich kam es durch den Lockdown in Häusern der Maximalversorgung zu einer Kumulierung von Fällen.
 
Effekte der COVID-19-Pandemie
Den Einfluss der Pandemie auf die NeuroIntensivmedizin schilderte Prof. Julian Bösel, Kassel. Schon früh wurde festgestellt, „dass die direkte Schädigung des Virus keine Rolle zu spielen scheint, sondern das, was das Virus antriggert”, betonte er, also z. B. Gerinnungsstörungen, Entzündungen der Gefäßwände, Autoimmunreaktionen, Minderdurchblutung, Hypoxie. Zwei Registern mit mehr als 3.500 COVID-19-Fällen zufolge kommt es etwa bei der Hälfte der Patienten mit neurologischen Manifestationen zu Enzephalopathien: In einer New Yorker Studie lagen bei 13,5 % der Patienten neurologische Symptome vor, bei fast 7 % Enzephalopathien. Die Mortalität war mehrfach erhöht. Näher wird dies in der von der IGNITE initiierten prospektiven multizentrischen Beobachtungs-Registerstudie „Pooled Analysis of Neurologic DisordErs Manifesting in Intensive care COVID-19 (PANDEMIC) untersucht (Mehr auf www.dgni.de). Kleinere Fallserien legen im Übrigen nahe, Enzephalopathien „immunologisch zu behandeln”, so Bösel.
 
Management des Delirs und Herausforderungen
Intensivmediziner und alle anderen Berufsgruppen müssten sich des Delirs und seiner lang- und kurzfristigen Komplikationen besser bewusst sein, forderte Joji B. Kuramatsu, Erlangen. Akute kognitive Störungen werden oft noch als unvermeidliche Folgen der Grunderkrankung oder als Effekte diverser Faktoren der ICUUmgebung angesehen. „Häufig gibt es noch eine diagnostische Unschärfe“, so Kuramatsu. Insgesamt besteht eine hohe Komplexität prädisponierender und präzipitierender Faktoren, darunter ein gestörter Schlafrhythmus, z. B. durch Lichtmangel. Negative Folgen des Delirs sind u. a. eine höhere Mortalität, längere Intensiv- und Klinikaufenthalte sowie chronifizierte kognitive Beeinträchtigungen. Ausblick: ANIM 2023 in Berlin Die nächste Arbeitstagung NeuroIntensivmedizin, die 40. Jahrestagung der DGNI, findet vom 19. bis 21. Januar 2023 in Berlin statt. Weitere Informationen gibt es auf www.anim.de. Dort sind auch viele Vorträge des ANIM 2022 on-demand verfügbar.
Forschungsförderungspreise
Ärzte und Wissenschaftler wurden beim ANIM 2022 für herausragende Arbeiten im Bereich der Intensiv- und Notfallmedizin ausgezeichnet. Der NeuroIntensiv-Preis ging an PD Hermann Neugebauer, Würzburg, für seine Forschungsarbeiten zur Therapie und Prognose von raumfordernden Hirninfarkten und für seine „vielfältigen neurointensivmedizinischem Oeuvre“. Den DGNI-Nachwuchsförderungspreis für innovative Forschungsprojekte in der NeuroIntensivmedizin erhielt Sae-Yeon Won, Rostock, für seine Studie über die Bedeutung der supratentoriellen und infratentoriellen intrakraniellen Druckmessung bei Patienten mit einer Pathologie in der hinteren Schädelgrube.
ICD-Codes: I60.9 , U07.1
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