COVID-19: Tracking-Apps, Big Data und Datenschutz

Neuro-Depesche 5-6/2020

Wissenschaft, Politik, digitale Überwachung

Digitale Technologien wie die Smartphone-Überwachung haben für die Bewältigung der COVID-19-Pandemie ein immenses Potenzial. Bei der Generierung von Big Data sollten aber ethische Grundsätze, Schutz privater Daten und andere Bürgerrechte beachtet werden. Die Pandemie-getriggerte Etablierung von Tracking-Apps weist ja über die aktuellen, nachvollziehbaren Notwendigkeiten hinaus, wie u. a. das Beispiel China zeigt. Eine heiß diskutierte Problematik.
Um den politischen Maßgaben, selbst wenn sie wissenschaftlich begründet sind, zu folgen und bürgerliche Freiheitsrechte zu opfern, bedarf es eines enormen Vertrauens der Menschen in die Poltik. Daran könnte es hapern.
 
Misstrauische Deutsche
In einer groß angelegten anonymen Online- Umfrage in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und den USA (n = 5.995) wurde die Bereitschaft untersucht, an einer digitalen Kontaktverfolgung von COVID-19-Infizierten mit einer Tracking- App teilzunehmen. Sowohl der freiwillige Download als auch die automatische Installation durch den Provider wurden mit 74,8 % bzw. 67,7 % in allen Ländern und in allen Bevölkerungsgruppen sowie – wider Erwarten – unabhängig von der regionalen COVID-19-Sterblichkeit mehrheitlich unterstützt.
Allerdings war die Bereitschaft in Deutschland und den USA deutlich geringer als in Italien und Frankreich – der maximale Unterschied (Italien vs. USA) betrug 15 %. Dabei waren Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und der Cybersicherheit (35 % der Teilnehmer) sowie mangelndes Vertrauen in die Regierung (42 % der Teilnehmer) die Haupthindernisse für die Akzeptanz. Volles Vertrauen in die Regierung erhöhte die Teilnahmebereitschaft gegenüber jenen mit keinerlei Vertrauen um 25,9 %. Tatsächlich vertrauten die deutschen und US-amerikanischen Befragten ihren Regierungen erheblich weniger als die französischen und italienischen Teilnehmer. Dies ist relevant: Epidemiologischen Erkenntnisse zufolge könnte die App-basierte Kontaktverfolgung die Ausbreitung von COVID-19 unterdrücken – aber nur, wenn ein ausreichend hoher Anteil der Bevölkerung die App einsetzt.
Die Lösung liegt vermutlich – guter Wille aller Beteiligten vorausgesetzt – in der radikalen Anonymisierung der Daten und ihrer Speicherung fernab der Server von Google und Facebook. JL
Quelle: Altmann S et al.: Acceptability of app-based contact tracing for COVID-19: Cross-country survey evidence. JMIR Preprints 04/05/2020: 19857 [doi: 10.2196/preprints.19857]; Katapally T: Global digital citizen science policy to tackle pandemics like COVID-19. Med Internet Res 2020 [Epub 14. Mai; doi: 10.2196/19357]
ICD-Codes: U07.1

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