Depression in der Schwangerschaft

Neuro-Depesche 6/2015

Wird auch der Nachwuchs depressiv?

In der bereits 1986 gestarteten prospektiven South London Child Development Study wurde untersucht, wie sich eine mütterliche Depression in der Schwangerschaft auf das Depressionsrisiko der Kinder im frühen Erwachsenenalter auswirkt. Offenbar kommt einem Missbrauch der Kinder ein deutlicher vermittelnder Einfluss zu.

Ausgewertet wurden die Daten von 103 Mutter/ Kind-Paaren. 35 Frauen (34,0%) hatten während ihrer Schwangerschaft unter einer klinisch relevanten Depression gelitten. 36 Mütter (35,0%) litten überdies anschließend unter einer postpartalen Depression, und 64 (62,7%) erlebten in den ersten 16 Jahres des Kindes eine weitere depressive Episode.
Die Kinder wurden im Alter zwischen 18 und 25 Jahren auf das Vorliegen einer depressiven Störung (nach DSM-IV) untersucht. 39 (37,9%) erfüllten die DSM-IV-Kriterien einer Depression. Unter ihnen hatten 74,4% eine akute Major-Depression- Episode erlebt, 12,8% eine Dysthymie und 12,8% eine nicht näher bezeichnete depressive Störung. Die durchschnittliche Anzahl depressiver Symptome betrug 6,0. 20 der 35 Kinder (57,1%), die in utero einer mütterlichen Depression ausgesetzt waren, entwickelten im jungen Erwachsenenalter ebenfalls eine Depression. Die Gefahr dafür war um mehr als das Dreifache (Odds Ratio: 3,4; p = 0,004) höher als beim Nachwuchs nicht-depressiver Mütter. Die Exponierten hatten außerdem eine um mehr als das Doppelte höhere Wahrscheinlichkeit (OR: 2,6; p = 0,022) in ihrer Kindheit einen Missbrauch (körperlicher, sexueller oder emotionaler Art oder eine Vernachlässigung) zu erfahren. Dies betraf insgesamt 36 Kinder (35,0%), 22,3% hatten eine Form, 2,9% zwei, 5,8% drei und 3,9% alle vier Formen des Missbrauchs erlitten – und es bestand sogar eine „Dosis-abhängige“ Relation zur späteren Depressionsschwere.
Die anschließende Regressions- und Pfadanalysen ergaben, dass die Depression der Kinder zu einem beachtlichen Teil durch den Missbrauch vermittelt wurde (B-Koeffizient: 0,60: p = 0,04). JL
Kommentar

Eine mütterliche Depression in der Schwangerschaft prädizierte signifikant den Missbrauch der Kinder, der wiederum signifikant die Depression der Kinder im frühen Erwachsenenalter prädizierte. Hier können Interventionen ansetzen. Die ausgeprägte Vulnerabilität sollte nicht zuletzt bei der Entscheidung beachtet werden, depressive Schwangere nicht zu behandeln.

Quelle:

Plant DT et al.: Maternal depression during pregnancy and offspring depression in adulthood: role of child maltreatment. Br J Psychiatry 2015; [Epub ahead of print 4. Juni: doi: pii: bjp.bp.114.156620]

ICD-Codes: O99.3

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