Nachdem die MSTKG-Autoren voranstellen, dass die Leitlinie der DGN viele unstrittig richtige und hilfreiche Empfehlungen enthält, werden einige Aspekte als kritisch angesehen und Gegenargumente vorgebracht. Hier einige wichtige Punkte.
Verzögerter Therapiebeginn
Die MSTKG-Autoren kritisieren, dass die Definion der MS-Aktivität in der DGN-Leitlinie in Teilen inadäquat ist – und in ihren therapeutischen Konsequenzen den Empfehlungen etablierter nationaler, europäischer und internationaler Konsensusempfehlungen widerspricht. Vor allem sollen höheraktive Therapien erst nach einer Beobachtungsdauer von mehr als zwei Jahren eingesetzt werden bzw. wenn Patienten bereits eine Behinderung entwickelt haben. Dies steht in eklatantem Gegensatz zur Verhinderung der Behinderungsakkumulation und neurodegenerativer Veränderungen als ein wesentliches Ziel der modernen MS-Therapie. So kann es nach Ansicht der MSTKG bei Patienten in Phasen hoher Krankheitsaktivität durchaus erforderlich sein, eine Therapie früher zu optimieren.
Eskalationsansatz zu eindeutig favorisiert
Nicht einverstanden ist die MSTKG, dass in den DGN-Leitlinien zwar beide grundsätzlichen Möglichkeiten des therapeutischen Vorgehens genannt werden, aber der Eskalationsstrategie (Beginn mit einem niedrigpotenten und erst danach Einsatz höherpotenter MS-Medikamente) gegenüber einer Therapieinitiierung mit höherpotenten MS-Mitteln zu eindeutig favorisiert wird.
Weitere Kritikpunkte
Weitere von der MSTKG kritisierten Aspekte der DGN-Leitlinien betreffen u. a. das therapeutische Vorgehen bei klinisch isoliertem Syndrom (KIS), die nicht fundierte Dreiteilung in niedrig-, mittel- und hochpotente Medikamente (mit Auswirkungen auf den Therapiealgorithmus), die Haltung zu kontinuierlichen vs. gepulsten Therapien und die Ausführungen zum (Off-label-)Einsatz von Rituximab.
Weitere Ausführungen sind der Publikation sowie den DGN-Leitlinien (verfügbar auf www.dgn.org) und dem MSTKG-Positionspapier (verfügbar unter https://link.springer.com/article/10.1007/s00115-021-01157-2) zu entnehmen. JL