Eskalation vs. sofortige Gabe hochwirksamer DMT

Neuro-Depesche 11-12/2021

Welche Strategie ist vorteilhafter?

Die Behandlungsstrategien der schubförmig remittierenden Multiplen Sklerose (RRMS) unterscheiden sich zwischen Dänemark und Schweden fundamental. Wie sich die Therapieeskalation gegenüber der sofortigen Einleitung einer hochwirksamen krankheitsmodifizierenden Therapie (DMT) über etwa vier Jahre auswirkt, wurde nun anhand eines Registervergleichs beider Länder mit fast 5.000 RRMS-Patienten untersucht.
Alle MS-Patienten hatten zwischen 2013 und 2016 eine erste DMT begonnen und wurden im Mittel 4,1 Jahre lang beobachtet. Von den 2.161 Patienten des dänischen Registers (durchschnittl. 37,3 Jahre alt) begannen 1994 (92,3 %) mit einer gering bis mäßig wirksamen DMT (u. a. 42,0 % Teriflunomid, 29,8 % Interferon beta [INFβ]-1a) und nur 165 (7,6 %) mit einer moderat bis hochwirksamen DMT (u. a. 0,1 % Rituximab, 4,8 % Natalizumab, 2,7 % Fingolimod). Unter den 2.700 Patienten des schwedischen Register (durchschnittl. 36 Jahre alt) begannen dagegen nur 1.769 (65,5 %) mit einer schwach bis mäßig wirksamen DMT (u. a. je 22,8 % Dimethylfumarat oder INFβ-1a), aber 931 (34,5 %) mit einer moderat bis hochwirksamen DMT (17,9 % Rituximab, 11,1 % Natalizumab, 5,5 % Fingolimod).
 
Klare Unterschiede in der Behinderung
Im primärer Studienendpunkt, der Zeit bis zu einer nach 24 Wochen bestätigten Behinderungsverschlechterung (24WCD) ging die schwedische Strategie gegenüber der dänischen mit einer signifikanten Reduktion um 29 % einher (Hazard Ratio [HR]: 0,71; 95 %-KI: 0,57 - 0,90; p = 0,004). Dies war auch für mehrere sekundäre Endpunkte der Fall: So wurde in Schweden gegenüber Dänemark das Erreichens eines Meilenstein-EDSS-Scores von 3 um 24 % reduziert (2,2 vs. 1,7 Jahre; HR: 0,76; p = 0,03) und das eines EDSS-Scores von 4 um 25 % (3,9 vs. 2,6 Jahre; HR: 0,75; p = 0,01) verringert. In der Behinderungsvebesserung nach 24 Wochen ergab sich kein signifikanter Unterschied.
Die zu Anfang in der schwedischen Kohorte höhere annualisierte Schubrate (ARR) sprach ebenfalls für das schwedische Vorgehen (ARR: 0,078 vs. 0,190). Das Auftreten eines ersten Schubes wurde um 56 % reduziert (HR 0,44; p < 0,001).
Außerdem fiel das Risiko für einen DMT-Switch oder -Abbruch in der schwedischen Kohorte um 12 % (HR: 0,88; p = 0,02) bzw. um 22 % (HR: 0,78; p < 0,001) geringer aus als bei den dänischen Patienten. HL
Fazit
Bei allen Einschränkungen eines Vergleichs auf nationaler Ebene: Die MS-Registerdaten sprechen dafür, dass der Einsatz wirksamerer DMT als Erstbehandlung über vier Jahre zu einer deutlich niedrigeren Behinderung der RRMS-Patienten führt als die Eskalationsstrategie.
Quelle:

Spelman T et al..: Treatment escalation vs immediate initiation of highly effective treatment for patients with relapsing-remitting multiple sclerosis: Data from 2 different national strategies. JAMA Neurol. 2021; 78(10): 1197-1204

Zu dieser Studie hat die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) am 3.11.2021 die Pressemedung „Multiple Sklerose – Vorteile einer initial aggressiven Therapie“ veröffentlicht (https://dgn.org/presse/pressemitteilungen/multiple-sklerose-vorteile-einer-initial-aggressiven-therapie.html )

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