Kliniken in Deutschland

Neuro-Depesche 4/2015

Welche Fachärzte sind besonders gestresst?

Überstunden, Schichtdienste, hierarchische Strukturen und immer mehr Verwaltungsaufgaben, die Zahl möglicher Stressoren ist groß. Im Rahmen des Hamburger Kooperationsprojektes StArK (Stressbezogene Arbeitsanalyse bei Klinikärztinnen und -ärzten) wurde jetzt u. a. untersucht, inwieweit sich der berufliche Stress bei Klinikärzten verschiedener Fachrichtungen unterscheidet. Welche Disziplinen sind besonders gestresst?

Mit dem Instrument zur stressbezogenen Arbeitsanalyse für Klinikärztinnen und -ärzte (Kurzversion, ISAK-K) wurden Stressoren erfasst, u. a. der empfundene Zeitdruck, die Unsicherheit (über Arbeitsinhalte bzw. Auswirkungen des eigenen Handelns), Frustration über hauseigene Arbeitsabläufe und „sozialer Stress“ mit Patienten, Kollegen und Vorgesetzten. Bei den gesundheitlichen Folgen lag der Fokus auf „Irritation“ (8 ISAK-Items zu anhaltender Reizbarkeit/Spannung etc.) und „emotionale Verausgabung“ (6 ISAK-Items zu Gefühl der Schwäche, Antriebsarmut, emotionale Dissonanz etc.).
Die Daten von 763 Klinikärzt(inn)en (57% männlich) aus elf Fachrichtungen konnten ausgewertet werden, darunter 179 Internisten, 149 Chirurgen, 129 Anästhesisten, 60 Gynäkologen, 56 Pädiater, 50 Psychiater und 44 Neurologen. Zwischen den Facharztrichtungen fanden sich tatsächlich beträchtliche Unterschiede. Internisten zeigten konsistent das höchste Level an Stressoren. Darüber hinaus ergaben sich mehrere einzelne signifikante Unterschiede: Psychiater und Psychotherapeuten berichteten einen deutlich niedrigeren Zeitdruck (als z. B. Internisten). Neurologen klagten erheblich stärker über Unsicherheit (als z. B. Chirurgen), sie gaben insgesamt die höchsten Ratings für Unsicherheit und sozialen Stress mit Patienten ab. Ärzte in Radiologie, Anästhesie und Gynäkologie bewerteten soziale Stressoren signifikant schwächer als Internisten, Neurologen und Psychiater/Psychotherapeuten, die ja mehr mit den Patienten kommunizieren.
„Irritation“ und „emotionale Verausgabung“ der Ärzte waren unter den interaktionsspezifischen Anforderungen am stärksten mit „emotionaler Dissonanz“, dem Widerspruch zwischen empfundenen und ausgedrückten Gefühlen, assoziiert, unter den aufgabenspezifischen Herausforderungen waren es hoher Zeitdruck und frustrierende Arbeitsabläufe. JL

 

ISAK-K-Materialien sind downloadbar unter www.bgw-online.de
KOMMENTAR

Die Resultate bestätigen andere Studien, nach denen hoher Zeitdruck und frustrierende Arbeitsabläufe die Ärzte stressen – und langfristig negative Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit haben. Immerhin wenden Internisten und Chirurgen inzwischen etwa ein Drittel ihres Tages für Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben auf. Die Unterschiede zwischen den Fachgruppen (hier wurden nur einige genannt) könnten u. a. dabei helfen, Präventionsprogramme spezifischer zu gestalten.

Quelle:

Tanner G et al.: Hospital physicians' work stressors in different medical specialities: a statistical group comparison. J Occup Med Toxicol 2015; 10: 7 [Epub ahead of print: 25. Feb. 2015; doi: 10.1186/s12995-015-0052-y]

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