Depression in der Schwangerschaft

Neuro-Depesche 12/2015

Weibliche Föten stärker gefährdet als männliche

Zertifizierte Fortbildung

Eine Depression der Mutter in der Schwangerschaft kann die Entwicklung des Ungeborenen in mehreren Aspekten negativ beeinflussen. Britische Mediziner verschiedener Disziplinen prüften nun, inwieweit sich die prä- oder postnatale mütterliche Depression auf das Depressionsrisiko der Kinder auswirkt. Sie fanden in der Vulnerabilität gegenüber einer Depression Schwangerer deutliche Geschlechterunterschiede.

Das Kollektiv bestand aus 7959 Mutter-Kind- Paaren, Teilnehmer der in Südwestengland durchgeführten Avon Longitudinal Study of Parents and Children. Eine mütterliche Depression vor und nach der Geburt wurde mit der Edinburgh Postnatal Depression Scale (EPDS) erfasst, zusätzlich wurden die Kinder im Alter von 12 und 18 Jahren mittels Mood and Feelings Questionnaire-Short Version (MFQ) bzw. mit dem Clinical Interview Schedule – Revised (CISR) auf depressive Symptome untersucht.
In der logistischen Regressionsanalyse fanden sich keine Hinweise auf eine signifikante Interaktion zwischen prä- oder postnataler Depression der Mütter und dem Geschlecht der Kinder mit einer Depression im Alter von 12 Jahren (p = 0,559 bzw. p = 0,780). Hinsichtlich der Depression der Kinder mit 18 Jahren jedoch bestanden signifikante Zusammenhänge zwischen prä- und postnataler Depression der Mutter und dem kindlichen Geschlecht (p = 0,027 bzw. p = 0,027).
Unter den 4566 Teilnehmern mit kompletten Daten erfüllten im Alter von 18 Jahren 360 (8%) die ICD-10-Kriterien für eine Depression, 10,6% der Mädchen, aber nur 4,3% der Jungen. Somit war – im Einklang mit der Studienhypothese einer höheren Vulnerabilität der weiblichen Föten – bei pränatal depressiven Müttern die Wahrscheinlichkeit einer Depression bei den Mädchen im Alter von 18 Jahren deutlich um 55% erhöht (Odds Ratio: 1,55; 95%-KI: 1,03–2,34), bei den Jungen im Alter von 18 dagegen nicht (OR: 0,54; 95%- KI: 0,23–1,26).
Bei postnatal depressiven Müttern war die Depressionswahrscheinlichkeit der Kinder im Alter von 18 dagegen bei den Mädchen kaum erhöht (um 15%; OR: 1,15; 95%-KI: 0,70–1,89), bei den Jungen aber massiv um 213% (OR: 3,13; 95%-KI: 1,52–6,45). JL
Kommentar

Eine Depression geht im Rahmen der Stress- Response mit hohen Glukokortikoid-Spiegeln einher – und Tiermodellen zufolge sind weibliche Föten diesem hormonellen Einfluss gegenüber vulnerabler als männliche. Nun wurde erstmals nachgewiesen, dass ein depressogener Effekt bis in spätere Lebensalter nachwirken kann. Den Unterschied einer fehlenden Auswirkung im Lebensalter von 12 Jahren und einem Effekt im Lebensalter von 18 Jahren erklären die Autoren u. a. damit, dass die Depressionsneigung bei Ersteren eher genetisch bedingt ist und bei Letzteren eher durch eine „fötale Programmierung“ (z. B. der Hypothalamus-Hypophysen- Nebennieren-Achse) zustande kommen könnte, für die weibliche Föten offenbar empfänglicher sind.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Quarini C et al.: Are female children more vulnerable to the long-term effects of maternal depression during pregnancy? J Affect Disord 2016; 189: 329-35

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