Natürlichen Verlauf beobachtet

Neuro-Depesche 10/2016

Was zeichnet eine „Oligoepilepsie" aus?

Zertifizierte Fortbildung

Epilepsie-Patienten haben eine unterschiedliche Krankheitsaktivität, die von einem Anfall in Jahren bis hin zu zig Anfällen am Tag reicht. Auf der Suche nach der besonders benignen „Oligoepilepsie“ (ILAE 2001) und deren Merkmalen untersuchten italienische Wissenschaftler in einer Gruppe von Epilepsie-Patienten die natürlichen Verläufe.

Unter 7344 Patienten mit ≥ 2 (unprovozierten) Anfälle waren 163 Patienten in den ersten fünf Jahren nicht antiepileptisch behandelt worden. Sie wurden in zwei Gruppen eingeteilt: Den 47 Patienten mit einer Oligoepilepsie (≤ 1 Anfälle pro Jahr in den ersten fünf Jahren) wurden die 116 übrigen Patienten (> 1 Anfall/Jahr) als Kontrollen gegenübergestellt. Ausgeschlossen waren u. a. Patienten mit zusätzlichen psychogenen Krämpfen. Der Beobachtungszeitraum betrug mindestens drei, durchschnittlich 15 Jahre.
Zwischen den Gruppen bestanden z. B. hinsichtlich der Familienanamnesen febriler oder sonstiger Krämpfe, interiktaler EEG-Befunde etc. keine relevanten Unterschiede. Die Patienten mit der postulierten Oligoepilepsie waren signifikant häufiger männlichen Geschlechts (58% vs. 38%, p = 0,03), seltener pharmakoresistent (6% vs. 28%; p = 0,003) und zum letzten Untersuchungszeitpunkt häufiger anfallsfrei (74% vs. 44%; p = 0,003). Im Gegensatz zu den Kontrollen, von denen im Follow-up immerhin 15 in die höhere Anfallsfrequenzklasse „switchten“, kam es in der Oligoepilepsie-Gruppe zu keinem einzigen derartigen Wechsel. Im Gegenteil: Fünf Patienten wechselten in die niedrigere Klasse.
In der Oligoepilepsie-Gruppe fand sich keine einzige juvenile myoklonische Epilepsie (JME) (vs. 9,5% der Kontrollen; p = 0,04). Interessanterweise litten alle drei pharmakoresistenten Patienten mit Oligoepilepsie unter einer Temporallappenepilepsie mit Hippokampussklerose. JL
Kommentar

Nach diesen Erkenntnissen handelt es sich bei der Oligoepilepsie nicht um ein spezifisches Epilepsiesyndrom, sondern um eine besonders benigne Verlaufsform verschiedener epileptischer Syndrome, die durch hohe Remissionsraten und eine langfristig niedrige Anfallsfrequenz gekennzeichnet ist. Sie ist selten, aber keine Rarität: In diesem Epilepsiezentrum betrug ihre Prävalenz 0,6% mit einem klaren Überwiegen der Männer.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Gasparini S et al.: The natural history of epilepsy in 163 untreated patients: looking for „oligoepilepsy“. PLoS One 2016; 11(9): e0161722 [Epub 22. Sept.; doi: 10.1371/journal.pone.0161722

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