Viele Ärzt:innen beteiligen sich an vorderster Front der Proteste gegen das theokratische Regime und seine religiöse Moralpolizei, so der Montrealer Autor eines Artikels im British Medical Journal. Sie behandeln verletzte Demonstranten, die Krankenhäuser meiden, weil sie dort von der Polizei festgenommen werden. Ähnlich wie beim Widerstand gegen den Militärputsch in Myanmar zahlen die Ärzte im Iran bei der Konfrontation mit der Staatsmacht einen hohen Preis. Am 26. Oktober eröffnete die Polizei das Feuer auf einen Protest von Ärzt:innen vor dem Teheran Medical Council. Mehrere wurden verletzt, die junge Chirurgin Parisa Bahmani durch eine Kopfschuss getötet.
Aufrechter Arzt widerspricht
Die Proteste wurden geschürt, nachdem sich Hossein Karampour, der leitende medizinische Beamte der Provinz Hormozgan weigerte, die Polizeiversion zu bestätigen, nach der Amini an einem Herzinfarkt gestorben sei. Vielmehr schrieb er ihren Tod einem Kopftrauma zu. Er forderte den Vorsitzenden des iranischen Ärzterates, Mohammad Raiszadeh, auf, „zu den Menschen zu stehen“ und „mit Ehrlichkeit und Mut zu handeln, um die Wahrheit zu erklären und aufzudecken“. Daraufhin bezeichnete der staatlich ernannte Raiszadeh die Demonstranten als „Unruhestifter und Separatisten“ und stützte die polizeiliche Darstellung über Aminis Tod. In einem Brief von 800 Mitgliedern des Ärzterates wurde er gerügt, den Ruf ihrer Organisation missbraucht und die „moralische und soziale Verpflichtung der Ärzte, das Volk zu verteidigen” vergessen zu haben. Zwischenzeitlich wurden viele Ärzt:innen gezielt verhaftet oder sind verschwunden. Offenbar haben einige ein geheimes Netzwerk aufgebaut, das verwundete Demonstranten mit Mediziner:innen außerhalb der Kliniken zusammenbringt. JL