Neuromyelitis-Pathologie im zeitlichen Verlauf

Neuro-Depesche 7-8/2021

Vorschlag zum Staging der Astrozytopathie

Zertifizierte Fortbildung
Die Aquaporin-4(AQP4)-IgG-positive Neuromyelitis-optica-Spektrum-Störung (NMOSD) ist eine autoimmunologische Erkrankung vor allem der Astrozyten. Anhand histopathologischer Befunde wurde nun versucht, den zeitlichen Verlauf von Zerstörung und Regeneration der Astrozyten, Komplementablagerung und verschiedene Arten von Gewebeschäden in Stadien einzuteilen.
Grundlage war die Histopathologie von sechs autopsierten Frauen und zwei Männern (im Durchschnitt 56,5 Jahre alt und seit 62,5 Monaten erkrankt). Der Abgleich von sechs charakteristischen (aktiven oder inaktiven) Läsionstypen mit den klinischen NMOSD-Parametern ergab ein Modell mit vier Stadien, die vor allem durch die Astrozyten-Morphologie und die Immunreaktivität für saures Gliafibrillenprotein (GFAP) definiert sind. Mit fließenden Übergängen sind A und B ein aktives, C und D ein chronisches Stadium.
A) Astrozyten-Lyse: Verlust von Astrozyten und AQP4-Expression. Zellreste vorhanden. Astrozytenfasern teils erhalten.
B) Vorläuferzellen-Rekrutierung: Verlust reifer Astrozyten mit Ausnahme kleiner kernhaltiger Zellen. GFAP-positive Aussprossungen. Weniger als 10 % der Astrozyten- Progenitorzellen sind miteinander verbunden.
C) Protoplasmatische Gliose: Vorliegen sternförmiger Astrozyten mit reichlich GFAP-reaktivem Zytoplasma.
D) Fibröse Gliose: Läsionen mit dicht gepackten GFAP-positiven Astrozyten, teils hypertroph.
 
Akute und chronische Läsionen
Im Akutgeschehen (innerhalb von zwei Monaten nach Schub) dominieren die Stadien Astrozyten-Lyse und -Progenitor- Rekrutierung. Beiden gemeinsam sind der Astrozyten-/AQP4-Verlust, reduzierte Oligodendrozytenzahlen, selektiver Verlust an Myelin-assoziiertem Glykoprotein (MAG) und aktive Demyelinisierung mit Phagozytose durch Makrophagen.
Selektiv im Lyse-Stadium beobachtet wurden die Infiltration von polymorphkernigen Zellen und T-Zellen (CD4-dominant) und die Ablagerung von aktiviertem Komplement (C9neo), das den Membranangriffskomplex (MAK) als Zeichen akuter Läsionen widerspiegelt (98,4 % im Lyse-, 1,6 % im Rekrutierungs- und 0 % im Gliose-Stadium). Im Stadium der protoplasmatischen und der fibrösen Gliose dominierten dagegen die inaktiven demyelinisierten Läsionen mit nur noch wenigen Entzündungszellen.
 
Komplement-Ablagerung
Deposite des Komplementabbauprodukts C3d fanden sich in allen vier Stadien, selbst in dem der fibrösen Gliose. Dies lässt auf Residuen früherer Prozesse oder aber auf eine anhaltende Komplementaktivierung in allen Stadien schließen. Trotz fehlender Stadienspezifität ist C3d nützlich, um bspw. chronische NMOSD- von MS-Läsionen zu unterscheiden. JL
Fazit
Anders als die demyelinisierenden Läsionen bei der MS wurde die Astrozytopathie bei der NMOSD bislang nicht ausreichend charakterisiert. Die Autoren hoffen, mit ihrem Staging-Versuch zum Krankheitsverständnis beizutragen.


Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle: Takai Y et al.: Staging of astrocytopathy and complement activation in neuromyelitis optica spectrum disorders. Brain 2021 [Epub 12. März; doi: 10.1093/brain/awab102]
ICD-Codes: G36.0

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