Alzheimer-Risiko

Neuro-Depesche 11/2014

Vor Benzodiazepinen wird gewarnt ...

Es gibt keine kurative Behandlung des Morbus Alzheimer. Um so wichtiger wären prophylaktische Maßnahmen. Und dazu müsste man beeinflussbare Risikofaktoren für dieses Demenzleiden kennen.

Schätzungsweise wird es 2050 auf der Welt bis zu 115 Millionen Alzheimer-Patienten geben. Die Entwicklung zieht tragische menschliche Konsequenzen und enorme soziale Kosten nach sich, so französische und kanadische Experten. Auf der Suche nach beeinflussbaren Kausalfaktoren kamen die Benzodiazepine ins Gespräch. Diese Substanzklasse wird oft zur Behandlung von Angst und Schlaflosigkeit eingesetzt. In westlichen Ländern werden sie älteren Patienten häufig, aber mit einer weiten Spanne der Angaben (von 7 bis 43%) verabreicht. Einschlägige Richtlinien legen nahe, Benzodiazepine nur für kurze Zeit zu geben, vor allem weil das Absetzen wegen Entzugssymptomen schwierig sein kann. Dessen ungeachtet und obwohl ihr Langzeitnutzen bei Insomnie unbewiesen und bei Angst fraglich ist, werden sie regelmäßig chronisch verabreicht. Die akut ungünstigen Wirkungen der Benzos auf Gedächtnis und Kognition sind wohlbekannt; ob sie das Risiko einer Demenzentwicklung erhöhen, ist aber umstritten. Die Störungen, gegen die sie meist verschrieben werden, nehmen in den Jahren vor der Manifestation einer Alzheimer-Erkrankung zu. Das könnte bedeuten, dass diese Substanzen sie nicht verursachen, sondern man mit ihnen nur die Vorläufer von Alzheimer behandelt. Die Erkennung einer solchen „umgekehrten Kausalität“ ist in Beobachtungsstudien schwierig. Die Autoren konzipierten eine Fall-Kontroll- Studie anhand der Daten einer kandischen Krankenversicherungsstatistik. Sie schloss 1796 ältere Patienten (über 66 Jahre) mit frisch diagnostizierter Alzheimer-Demenz ein und 7184 Kontrollpersonen. Man hielt fest, ob jemals Benzodiazepine eingenommen wurden und ggf. die kumulativen Dosen (1 bis 90, 91 bis 180 oder über 180 Tagesdosen), außerdem die Eliminationshalbwertszeit der Präparate. Die Benzo-Einnahme irgendwann war mit einem signifikant erhöhten Alzheimer-Risiko assoziiert (adjustierte Odds ratio 1,51). Der Zusammenhang blieb auch nach Berücksichtigung von Angst-, Insomnie- oder Depressions-Diagnosen etwa gleich. Keine Assoziation ergab sich, wenn man nur Einnahmedosen unter 91 berücksichtigte. Die Stärke der Assoziation stieg mit Expositionshöhe und Halbwertszeit des Präparates. Die Autoren sehen den Verdacht gestärkt, dass eine direkte Assoziation zwischen Benzo- Einnahme und Alzheimer-Erkrankung besteht. Dafür gibt es auch plausible biologische Argumente. Dennoch kann die Alternativhypothese, dass man nur Vorläufer des Alzheimer mit den Substanzen behandelt, nicht ganz ausschließen. Es bleibt die Empfehlung, dass diese Substanzen für den kürzest möglichen Zeitraum verschrieben und Präparate mit kurzer Halbwertszeit verwendet werden sollten. WE

Quelle:

Billioti de Gage S et al.: Benzodiazepine use and risk of Alzheimer’s disease: case-control study. BMJ 2014; 349: g5205

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