Patienten mit ausgeprägter Insomnie

Neuro-Depesche 10/2021

Verringert eine Online-KVT Suizidgedanken?

Zertifizierte Fortbildung
Eine Insomnie stellt einen wichtigen Risikofaktor für Depressionen und Suizidalität dar. In einer Studie in Stockholm wurde jetzt untersucht, ob bzw. inwieweit eine internetbasierte kognitive Verhaltenstherapie der Insomnie (KVT-I) schwer schlafgestörter, teils depressiver Personen im Behandlungsalltag auch suizidale Tendenzen reduzieren kann.
552 Patienten im Alter ≥ 16 Jahren mit einer DSM-5-basierten Insomnie-Diagnose hatten an einer psychiatrischen „Internet-Klinik“ an einer Online-KVT teilgenommen. Die Teilnehmer litten mit einem Summenscore des Insomnia Severity Index (ISI) von 20,3 meist unter einer schweren Insomnie. Ihre Depressivität war mit einem durchschnittlichen Score der Montgomery–Åsberg Depression Rating Scale (MADRS-S) von 14,6 Punkten nicht sehr ausgeprägt, 57 % wiesen aber eine mehr als leichte Depression auf. Suizidgedanken nach MADRS-S-Item 9 waren eher selten, bei 81 % ohne Relevanz.
 
Depression und Suizidgedanken gehen zurück
Die neunwöchige, von einem klinischen Psychologen begleitete KVT-I, bestehend aus elf Modulen mit theoretischen und praktischen Anteilen, reduzierte neben der Insomnie die depressive Symptomatik mit einer Abnahme des durchschnittlichen MADRS-S-Score von 14,6 auf 9,3 Punkte signifikant (p < 0,001; Cohen’s d: 0,72). Auch die Suizidgedanken, obwohl zu Baseline gering, wurden signifikant reduziert (0,68 vs. 0,54; p < 0,001; Cohen’s d: 0,17).
 
Besserung der Depression ist ausschlaggebend
Drei schrittweise duchgeführte Sensitivitätsanalysen zufolge prädizierte die Verbesserung der Insomnie die Suizidgedanken signifikant (Schritt 1: p < 0,001). Diese Signifkanz ging aber verloren, wenn die Veränderung der depressiven Symptomatik einbezogen wurde (p < 0,56). In Schritt 3 war – neben Geschlecht und initialer Depressionschwere – nur noch die Reduktion der Depressivität ein signifikanter Prädiktor für die Abnahme der Suizidgedanken (p < 0,001). JL
Fazit
Bislang wurde die präventive Wirkung einer Insomnie-Therapie auf suizidales Verhalten nur in wenigen Studien mit stark vorbelasteten Patienten (z. B. Kriegsveteranen) und solchen mit hoher Komorbidität untersucht. Diese Gruppen waren in dieser Studie ausgeschlossen. Hier prädizierte die Reduktion der depressiven Symptomatik durch die Online-KVT die Verringerung der (nicht stark ausgeprägten) Suizidgedanken am stärksten – nicht die Abnahme der Insomnie.


Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle: Jernelöv S et al.: Initial low levels of suicidal ideation still improve after cognitive behavioral therapy for insomnia in regular psychiatric care. Front Psychiatry 2021; 12: 676962. [Epub 28. Juni; doi: 10.3389/fpsyt.2021.676962]

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