Der seit neun Jahren an MS erkrankte 47-Jährige stellte sich mit zunehmendem Tremor, Diplopie, Gedächtnisstörungen und psychischen Symptomen wie Reizbarkeit vor. Eine drei Monate zuvor durchgeführte neuropsychologische Testung hatte bereits kognitive Störungen ergeben, die auf subkortikale Demyelinisierungsprozesse zurückgeführt worden waren. Die vermeintliche MS-Exazerbation wurde - wie in der Vergangenheit erfolgreich praktiziert - mit Methylprednisolon hochdosiert behandelt. Doch die Symptome verstärkten sich und weiteten sich mit Ataxie, Harninkontinenz und Obstipation sowie Desorientierung und episodisch gewalttätigem Verhalten sogar aus. Zu diesem Zeitpunkt ergab das Blutbild eine Anämie und Erythrozyten mit basophiler Tüpfelung. Die Blei-Bestimmung zeigte eine gegenüber der Normobergrenze zehnfach erhöhte Konzentration (92 µg/dl bzw. 4,4 µmol/l). Der Patient hatte verschwiegen, dass er gegen seine MS seit Monaten ein selbstzubereitetes homöopathisches Präparat ("Plumbum metallicum") einnahm und zusätzlich Marihuana mit einem aus Fernost importierten Pfeifenmundstück rauchte. Aus beiden Quellen wurden erhebliche Bleimengen freigesetzt. In der toxikologischen Abteilung wurde der Mann, der inzwischen das Vollbild einer Bleivergiftung mit schweren neurologischen Ausfällen zeigte, mit oralen Chelatbildnern 14 Tage unter stetiger Symptombesserung entgiftet. Der Fall verdient insofern Beachtung, als der Gebrauch medikamentöser und nicht-medikamentöser alternativer Heilmethoden unter MS-Patienten offenbar weit verbreitet ist und der behandelnde Arzt von diesem Vorgehen oft nicht in Kenntnis gesetzt wird. (JL)
Neuro-Depesche 10/2001
Vermeintliche Verschlechterung einer MS durch Blei
Einen fast kurios anmutenden Fall einer schweren Verschlechterung neurologischer Symptome bei bestehender MS beschreiben australische Pharmakotoxikologen. Der Patient hatte ein bleihaltiges Homöopathikum eingenommen und sich das Schwermetall zusätzlich über ein Pfeifenmundstück zugeführt.
Quelle: Fisher, AA: Lead pousoning from complementary and alternative medicice in multiple sclerosis, Zeitschrift: JOURNAL OF NEUROLOGY, NEUROSURGERY AND PSYCHIATRY, Ausgabe 69 (2000), Seiten: 687-689