Diffusion tensor imaging der Weißen Substanz bei Depressiven

Neuro-Depesche 12/2016

Veränderungen bei unbehandelten Patienten?

Eine internationale Forschergruppe untersuchte anhand einer systematischen Übersicht und Metaanalyse bei Patienten mit einer Major Depression mikrostrukturelle Veränderungen der weißen Substanz (White matter, WM) im Diffusion tensor imaging (DTI). Das Besondere war, dass nur medikamentös unbehandelte Patienten beurteilt wurden.

Eingeschlossen wurden insgesamt 15 Studien (434 Patienten) mit einer Major Depression, davon 174 mit einer Auswaschphase vor der DTI-Aufnahme und 260 gänzlich unbehandelten mit Erstepisode. 429 Gesunde bildeten die Kontrollgruppe. WM-Veränderungen wurden mithilfe der DTI-Aufnahmen und eines „Anisotropic effect size-signed differential mapping“ (AESSDM) der fraktionellen Anisotropie (FA) erfasst.
Die gepoolten und Subgruppen-Metaanalysen ergaben deutliche Beeinträchtigungen der WMIntegrität, vor allem in Strukturen, die in kognitive Prozesse, Gedächtnisfunktionen und emotionale Regulierung involviert sind: Bei den 174 Patienten mit Washout lagen robuste FA-Reduktionen der WM vor im rechten Hemisphärenlappen des Cerebellums, im Truncus des Corpus callosum (CC) und bilateral im Fasciculus longitudinalis superior III (SLF III). Nur bei den unbehandelten Patienten wurden FA-Verringerungen im Genu des CC und in den vom rechten Thalamus ausstrahlenden anterioren Projektionen festgestellt, die sich bis zum rechten SLF III erstreckten.
Das zusätzliche „Fibre tracking“ mittels DTI Query Software ergab, dass die am stärksten von der FA-Reduktion betroffenen Bahnen im Gesamtkollektiv die rechten zerebellären Bahnen, den CC, bilateral den SLF III und den Fasciculus arcuatus betrafen. Geschlecht, Alter, Erkrankungsdauer und Depressionsschwere zeigten mit den FA-Befunden der WM keine signifikanten Zusammenhänge. JL
Kommentar

Bisherige DTI-Studien hatten bei Depressiven WM-Schädigungen ergeben, doch waren dabei stets auch medikamentös behandelte Patienten berücksichtigt worden. Die aktuelle Studie belegt Veränderungen nun auch bei medikamentös unbehandelten Depressiven, schließt also Medikationseffekte aus. FA-Reduktionen im Balkenknie und den anterioren Thalamus-Projektionen bei den therapienaiven Patienten könnten nicht zuletzt auf eine neuroanatomisch bedingte Vulnerabilität für eine Major Depression hindeuten.

Quelle:

Jiang J et al.: Microstructural brain abnormalities in medication-free patients with major depressive disorder .... J Psychiatry Neurosci 2016; 42(1): 150341 [Epub 25. Okt.; doi: 10.1503/jpn.150341]

ICD-Codes: F32.2

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