Deutsche Pharmakovigilanz-Daten 2001 bis 2017

Neuro-Depesche 3/2021

Veränderte Therapie der Depression

Zertifizierte Fortbildung
Die derzeit verfügbaren Daten zur Verschreibung von Psychopharmaka bei Major Depression (MD) spiegeln zumeist die ambulante Behandlung wider. Jetzt zeigt eine Auswertung des Programms „Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie“ (AMSP) die Veränderungen bei stationär behandelten MD-Patienten 2001 bis 2017. Betroffen waren u. a. der Einsatz von Antipsychotika und Medikamenten-Kombinationen.
Eingeschlossen wurden 44.418 Patienten (62,8 % Frauen) mit meist schwerer MD, stationär behandelt in 52 deutschsprachigen psychiatrischen Kliniken. Verglichen wurden der erste (2001 – 03) und der letzte Dreijahreszeitraum (2015 – 17). Veränderungen der Medikation wurden mittels der Risikoraten (RR) ausgedrückt.
 
Weniger TZA, mehr SSNRI
Wie erwartet wurden Antidepressiva (AD; meist SSRI, SSNRI, NaSSA) am häufigsten verabreicht. Ihre Verordnung ging von 89,7 % (2001 – 03) auf 85,5 % (2015 – 17) leicht zurück. Die größte Abnahme zeigten trizyklische AD (TZA; 24,9 % vs. 8,7 %; RR: 0,35) wie Trimipramin, während der Einsatz serotonerger und „anderer“ AD (z. B. Bupropion, Agomelatin, Trazodon) zunahm, insbesondere stieg der von Venlafaxin und anderen SSNRI (17,6 % vs. 30,2 %; RR: 1,72). Die größte Zunahme einer einzelnen AD-Substanz betraf Escitalopram (3,1 % vs. 11,0 %; RR: 3,56). Die (seltene) Gabe von MAO-Hemmern halbierte sich fast (2,1 % vs. 1,1 %; RR: 0,55), ebenso die von Lithium (8,0 % vs. 4,9 %; RR: 0,61). Einen Überblick gibt die Abb.
 

Antipsychotika (AP) wurden zunehmend eingesetzt (44,3 % vs. 49,7 %; RR: 1,12), insbesondere solche der zweiten Generation (26,6 % vs. 38,9 %; RR: 1,46). Den stärksten Anstieg hatte Quetiapin (3,1 % vs. 21,7 %; RR: 7,10). Die Tranquilizer-Verordnung ging dagegen zurück (34,7 % vs. 24,7 %; RR: 0,71), noch stärker die von Hypnotika (23,0 % vs. 9,9 %; RR: 0,43).

Vielfachkombis nahmen ab
Mehr als 70 % der Patienten wurden mit mehr als einem Psychopharmakon behandelt. Die häufigste (und zunehmende) Kombination bestand aus AD plus AP (45,1 % vs. 51,1 %; RR: 1,13). Auch die Kombination zweier AD stieg an (24,5 % vs. 33,0 %; RR: 1,35). Immerhin wurden Dreier- oder Vierer-Kombinationen seltener eingesetzt (24,7 % vs. 21,7 %; RR: 0,88; bzw. 22,7 % vs. 20,3 %; RR: 0,89) . JL
Fazit
Die stationäre Pharmakotherapie der Depression hat sich erheblich verändert. Positiv ist u. a., dass nebenwirkungsreiche TZA und problematische Mehr- fachkombinationen seltener wurden. Die Gabe von Antipsychotika nahm zu.


Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle: Seifert J et al.: Time trends in pharmacological treatment of major depressive disorder: Results … J Affect Disord 2021; 281:547-556

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