Neue Option bei bipolarer Störung

Neuro-Depesche 2/2001

Valproat für Akutbehandlung und Phasenprophylaxe

Lithium war lange Zeit bei bipolarer Störung das am häufigsten verwendete Medikament. Derzeit scheint sich die Verschreibungspraxis zugunsten geeigneter Antikonvulsiva zu wandeln. Valproat eignet sich Studien zufolge sowohl zur Phasenprophylaxe als auch zur Akutbehandlung.

Die Therapiesituation bei Patienten mit bipolarer Störung ist ausgesprochen unbefriedigend. Die korrekte Diagnose der immer häufiger bereits bei Jugendlichen auftretenden, hartnäckig rezidivierenden Erkrankung wird in vielen Fällen erst mit einer Verspätung von zehn bis 15 Jahren gestellt. Nur etwa 20 bis 30% aller Erkrankten suchen ärztliche Hilfe. Bis zu 50% der Patienten begehen einen Suizidversuch, 20% sterben von eigener Hand. Neben Problemen bei der Diagnostik komplizieren der wechselhafte Verlauf der Störung, die häufige psychiatrische Komorbidität und besonders das Auftreten gemischter Episoden ("dysphorische Manie") und atypischer Verläufe die Behandlung. Auf das Standardtherapeutikum Lithium sprechen 20 bis 40% der Patienten nicht an. Die Rückfallquote ist mit bis zu 80% sehr hoch. Die größten Probleme ergeben sich in der Behandlung der - mit etwa 50% sehr häufigen - nicht-klassischen Manien. Ferner begrenzen Lithium-Nebenwirkungen wie Tremor, Gewichtszunahme, kognitive und Gedächtnisstörungen seinen Einsatz. Die häufig notwendige Komedikation mit Antidepressiva oder Neuroleptika (Cave irreversible Dyskinesien!) verschlechtert die ohnehin eher geringe Compliance noch, so dass es nicht selten zu Rezidiven in Folge eigenmächtigen Absetzens kommt. Mit dem gut verträglichen Antikonvulsivum Valproat können viele Schwierigkeiten der Akut- und Langzeittherapie vermieden werden: Bei gemischten Episoden und bei Rapid-cycling-Verläufen ist Valproat Lithium in Ansprechrate und Wirkung klar überlegen. Vielfach kann die Akuttherapie bereits mit der Valproat-Retardzubereitung (beispielsweise Minitabletten) durchgeführt werden, in anderen Fällen bietet sich die Injektionslösung an. Da auch die Prophylaxe mit Valproat fortgeführt werden kann, entfällt die problematische Umsetzphase. Durch den Verzicht auf ein zusätzliches Antidepressivum oder bei Komedikation mit diesem mindert Valproat die Gefahr eines "Switches" in die Manie oder die Induktion eines Rapid-cycling. In Deutschland ist Valproat derzeit noch nicht zur Behandlung der bipolaren affektiven Störungen zugelassen. Es wird jedoch immer häufiger nicht nur von Experten im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit eingesetzt. Die Fachinformation einer Valproat-Darreichungsform enthält seit neustem einen Hinweis auf die durch Studienergebnisse belegte Wirksamkeit bei dieser Indikation.

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