Psychologische Interventionen bei AN

Neuro-Depesche 2/2006

Unspezifische Beratung sogar überlegen?

Der Nutzen von Psychotherapien bei Essstörungen wurde bisher vor allem für die Bulimia nervosa untersucht. Bei diesen Patienten erfolgreich eingesetzte spezifische Verfahren wurden nun in einer vergleichenden Studie bei Patienten mit Anorexia nervosa (AN) geprüft.

56 Frauen mit primärer Anorexia nervosa und einem BMI <= 19 wurden randomisiert drei Therapiearmen zugeteilt - einer kognitiven Verhaltenstherapie (CBT), einer interpersonellen Psychotherapie (IPT) sowie als Kontrollbehandlung einer relativ unspezifischen psychologischen Beratung mit CBT-Elementen und Ernährungshinweisen, deren Ziel die Normalisierung des Essverhaltens war. Über mindestens 20 Wochen wurden 20 Sitzungen angeboten, von denen 15 absolviert werden mussten. In der Intent-to-Treat-Auswertung ergaben sich im primären Studienziel, einem globalen vierstufigen AN-Rating ("alle AN-Kriterien vorhanden" bis "keine Merkmale einer Esstörung zu erkennen") signifikante Unterschiede: Unerwarterweise war die unterstützende Kontrollbehandlung (56%) der IPT (10%) signifikant überlegen, das Behandlungsergebnis bei kognitiver Verhaltenstherapie lag ohne signifikante Unterschiede zwischen denen der beiden (32%). Wurden nur die Daten von Frauen ausgewertet, die die Behandlung regulär beendeten, war die unspezifische Beratung den beiden spezifischen Therapien sogar überlegen. Möglicherweise beruht der Erfolg der unspezifischen Intervention darauf, dass diese Maßnahme das gesteigerte Bedürfnis der Frauen nach Autonomie und Kontrolle besonders berücksichtigt. Der Stellenwert spezifischer Therapien bei AN bleibt zu klären. (bk)

Quelle: McIntosh, VV: Three psychotherapies for anorexia nervosa: a randomized, controlled trial, Zeitschrift: AMERICAN JOURNAL OF PSYCHIATRY, Ausgabe 162 (2005), Seiten: 741-747

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