Prävalenz und Risikofaktoren

Neuro-Depesche 4/2018

Überaktive Blase bei Morbus Parkinson

Zertifizierte Fortbildung

Patienten mit Morbus Parkinson leiden unter zahlreichen nicht-motorischen Symptomen, darunter auch Beschwerden wie Harndrang und hohe Miktionsfrequenz. Urodynamische Studien ergaben bei den Betroffenen eine hohe Prävalenz an Detrusorhyperaktivität. Die Häufigkeit einer überaktiven Blase (Reizblase) und die Risikofaktoren dafür wurden nun in einer populationsbasierten Kohortenstudie näher untersucht.

In der National Health Insurance Research Database of Taiwan (2000–2010) wurden 4571 Parkinson-Patienten (49,6% Frauen) und 18 255 alters-, komorbiditäs- und geschlechtsgematchte Patienten mit anderen Erkrankungen identifiziert und miteinander verglichen. Die Diagnose einer überaktiven Blase (OAB) wurde nach ICD-9-CM (596.51: hypertone Blase) gestellt.
Im Durchschnitt waren sowohl das Alter der Parkinson- Patienten und der Kontrollen (72,5 vs. 71,8 Jahre) nahezu identisch als auch die Häufigkeit an Komorbiditäten wie benigne Prostatahyperplasie (je 10,4%), Stressinkontinenz (1,25% vs. 1,11%), Diabetes (23,2% vs. 23,3%) und zerebrovaskuläre Krankheiten (je 19,7%). Die durchschnittliche Beobachtungszeit betrug 5,0 bzw. 5,3 Jahre.
Der Studienhypothese entsprechend wies die Kohorte der Parkinson-Patienten mit 14,5 vs. 6,37 pro 10 000 Personenjahre eine mehr als doppelt so hohe und damit signifikant erhöhte Gesamtinzidenz an OAB auf. Das Risiko war der Regressionsanalyse zufolge bei den Parkinson-Patienten um mehr als das Doppelte erhöht (Hazard Ratio: 2,31; 95%-KI: 1,51–3,52). Das Risiko war besonders hoch bei Parkinson- Patienten mit benigner Prostatahyperplasie (HR: 2,88) und mit Stressinkontinenz (HR: 3,19). Doch auch nach multivariater Kontrolle (auf diese beiden Diagnosen und zusätzlich auf Diabetes und zerebrovaskuläre Krankheiten) war das OAB-Risiko bei den Parkinson-Patienten um den Faktor 2,3 erhöht (HR: 2,30; 95%- KI: 1,51–3,51).
Dabei war das Risiko für beide Geschlechter vergleichbar (HR Männer: 2,19; HR Frauen: 2,47). Ein deutlicher Zusammenhang zeigte sich mit der Krankheitsdauer: Die kumulative Inzidenz einer OAB betrug 0,65% im fünften und 1,54% im zehnten Jahr nach der Parkinson-Diagnose. Die Stratifizierung nach dem Alter ergab das höchste OAB-Risiko in der Gruppe der 65- bis 74-Jährigen (HR: 3,65), während es sowohl bei jüngeren (HR: 1,0) als auch bei älteren Patienten (HR: 1,15–1,27) geringer war. JL
Kommentar

Ein Morbus Parkinson geht unabhängig von zahlreichen anderen Faktoren mit einem deutlich erhöhten Risiko für eine OAB einher. Dafür verantwortlich dürften die Parkinson- typischen neurodegenerativen Veränderungen sein, die zu Störungen in Frontalkortex- Basalganglien-Schaltkreisen führen.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Lin FY et al.: Increased risk of overactive bladder in patients with idiopathic Parkinson‘s disease: Insight from a nationwide population-based cohort study. PLoS One 2018; 13(3): e0193783 [Epub 2. März; doi: 10.1371/journal.pone.0193783]

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