Kasuistik

Praxis-Depesche 9-10/2021

Tödliche Komplikation

Unter COVID-19 besteht ein erhöhtes Risiko für kardiale und thromboembolische Komplikationen sowie Sekundärinfektionen. Ist im vorliegenden Fall die Mukormykose mit zerebraler Beteiligung ebenfalls auf SARS-CoV-2 zurückzuführen, oder auf den zugrunde liegenden Diabetes mellitus?
Eine 33-jährige Frau stellte sich mit verändertem mentalen Status in der Notaufnahme vor. Am linken Auge bestand eine Ptosis mit 1 cm Proptosis, eine starr erweiterte Pupille sowie komplette Ophthalmoplegie. Neben einer Leukozytose mit Neutrophilie und Lymphozytopenie ergab sich das laborchemische Bild einer diabetischen Ketoazidose (DKA). Im Röntgen wurde eine Pneumonie im linken Unterlappen festgestellt, ein CT vom Schädel ergab moderate Zeichen einer Sinusitis.
Bei erhöhtem Augeninnendruck erfolgte die notfallmäßige laterale Kanthotomie, die DKA wurde ausgeglichen und eine antibiotische Therapie gestartet. Mit Amphotericin B wurde eine mögliche Mukormykosis anbehandelt. Während des chirurgischen Sinusdebridements fiel eine schwarze mittlere Nasenmuschel links auf, der kulturelle Nachweis ergab reichlich Pilzbestandteile, inkl. Hyphen. Im MRT des Schädels zeigten sich ein Ödem sowie Ischämie- und Infarktzeichen – hochverdächtig für eine invasive rhino-orbital-zerebrale Mukormykosis. Trotz Therapie mit Remdesivir und Rekonvaleszenzplasma kam es zur Ausbildung eines Hirnabszesses, in dessen Folge die Patientin verstarb.
Die Mukormykose ist eine seltene opportunistische Pilzinfektion mit hoher Mortalität (Todesfallrate: 46 %). Nach Inhalation von Sporen kommt es bei immunsupprimierten Patienten durch Gefäßinvasion der Pilzhyphen zu Gewebsinfarkten und -nekrosen, am häufigsten rhino-orbital- zerebral. Etwa 70 % der Fälle treten bei Patienten mit Diabetes mellitus und DKA auf. Dies war auch hier der wahrscheinlichste Auslöser. CA
Kommentar
Die frühzeitige Diagnose und Behandlung der Mukormykose sind von entscheidender Bedeutung für das Überleben der Patienten – eine Verzögerung von nur sechs Tagen geht mit einer Verdoppelung der 30- Tage-Sterblichkeit von 35 % auf 66 % einher. Bei Hochrisikopersonen (Immunsupprimierte) sollte daher bei einseitigen Gesichtsschmerzen oder -schwellungen, Schwellungen der Augenhöhle oder Proptosis eine Mukormykose vermutet werden.
Quelle: Werthman-Ehrenreich A: Mucormycosis with orbital compartment syndrome in a patient with COVID-19. Am J Emerg Med 2021; 42: 264.e5-8. doi: 10.1016/j.ajem.2020.09.032
ICD-Codes: U07.1

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x