Bevölkerungsbasierte Längsschnittstudie

Neuro-Depesche 1-2/2018

Therapie und Ressourcennutzung bei therapierefraktärer Epilepsie

Zertifizierte Fortbildung

Die Beeinträchtigungen der Patienten durch eine mehrfach therapierefraktäre Epilepsie sind enorm. Anhand deutscher Versicherungsdaten wurden jetzt retrospektiv über drei Jahre Morbidität und Mortalität dokumentiert sowie die Ressourcennutzung und die Kosten erfasst.

Unter vier Millionen gesetzlich versicherten Deutschen mit Epilepsie-Diagnose (ICD-10: G40) und Antiepileptika (AED)-Einnahme wurde – anhand der Verschreibung von ≥ 4 verschiedenen AED über mindestens 18 Monate (2008–2013) – bei 769 Patienten eine schwere therapierefraktäre Epilepsie konstatiert. Sie wurden mit 15 380 nach Alter und Geschlecht gematchten Kontrollen ohne Epilepsie-Diagnose verglichen. Der Beobachtungszeitraum betrug drei Jahre.
Die 769 Patienten mit refraktärer Epilepsie (Durchschnittsalter 42,3 Jahre, 45,4% weiblich, 19% Kinder und Jugendliche; 19,8% ≥ 65 Jahre) erhielten im ersten Follow-up-Jahr durchschnittlich 2,7 AED und über die gesamten drei Jahre 5,3 AED. Am häufigsten waren Levetiracetam (56,6%), Lamotrigin (44,6%), Valproat (43,4%), Lacosamid (25,4%) und Topiramat (19,1%).
Während der dreijährigen Nachbeobachtung lag die jährliche Hospitalisierungsrate bei 42,7% bis 55%. Diese war signifikant höher als bei den Kontrollen aus der Bevölkerung (11,6% bis 12,8%; p < 0,001). Die Epilepsie-bedingten Krankenhausaufnahmen rangierten zwischen 1,7 und 1,9 pro Jahr und dauerten durchschnittlich 10 bis 11,1 Tage. Bei den Kontrollen waren es 1,97 Aufnahmen mit einer durchschnittlichen Länge von 7,5 Tagen.
Gegenüber den Kontrollen war die Anzahl komorbider Erkrankungen bei den therapierefraktären Patienten signifikant höher. Dies betraf u. a. Depressionen (28% vs. 10%) und vaskuläre Krankheiten (22% vs. 5%) sowie Verletzungen (Kopf: 16% vs. 3%, Rumpf und Gliedmaßen: 16% vs. 8%) und gastrointestinale Krankheiten (26% vs. 13%; p < 0,001).
Die Dreijahressterblichkeit der refraktären Patienten war mit 14% vs. 2,1% fast siebenmal höher als bei den Kontrollen (p < 0,001). Am höchsten war die Mortalität im ersten Nachbeobachtungsjahr (7,8%).
Die anhand der DRG’s (Diagnosis Related Groups) kalkulierten Epilepsie-bedingten Kosten betrugen im Patientenkollektiv € 12 925 bis € 14 639 pro Jahr. Davon entfielen auf die Krankenhauskosten € 4880 bis € 6110 (37% bis 42% der gesamten direkten Kosten) und auf die Medikamente € 4565 bis € 5294 (35% bis 38% der gesamten direkten Kosten). Die durchschnittlichen Kosten aller Krankenversicherten in Deutschland betragen € 3011 pro Person und Jahr. JL
Kommentar

Diese Versichertendaten bestätigen die hohe Morbidität, Sterblichkeit und Ressourcennutzung bei schwerer Therapieresistenz. In Übereinstimmung mit früheren Erhebungen (2003–2011) werden (leitliniengemäß) offenbar vermehrt „neuere“ Antiepileptika wie Levetiracetam und Lamotrigin eingesetzt, während die Verschreibung älterer (enzyminduzierender, interaktions- und nebenwirkungsreicher) Mittel wie Carbamazepin und Phenytoin auch bei diesen Patienten zurückgeht.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Strzelczyk A et al.: The burden of severely drug-refractory epilepsy: a comparative longitudinal evaluation of mortality, morbidity, resource use, and cost using German health insurance data. Front Neurol 2017; 8: 712 [Epub 22. Dez.; doi: 10.3389/fneur.2017.00712]

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