US-Leitline veröffentlicht

Neuro-Depesche 3/2018

Therapie des ischämischen Schlaganfalls II: Thrombektomie

Zur Frühtherapie des akuten ischämischen Schlaganfalls haben die maßgeblichen US-Fachgesellschaften – American Heart Association (AHA) und American Stroke Association (ASA) – Anfang 2018 neue Guidelines publiziert. Sie betreffen systematisch alle innerhalb der ersten 14 Tage durchzuführenden Interventionen wie Bildgebung, Blutdruckkontrolle, Antikoagulation, Thrombolyse und Thrombektomie. Für bestimmte Patientengruppen wurde nun das Zeitfenster für eine Thrombektomie erheblich erweitert.

Aus den umfassenden Guidelines zum akuten ischämischen Schlaganfall (AIS) hier einige Hauptaussagen zur Thrombektomie.
 
Empfehlungen zur Thrombektomie
 
1) Für eine Thrombolyse (i.v.-Alteplase) geeignete Patienten sollten diese erhalten – auch wenn eine Thrombektomie erwogen wird.
3) Eine mechanische Thrombektomie mit Stent-Retriever sollte bei Patienten erfolgen, die folgende Bedingungen erfüllen:
  a) mRS-Score VOR dem Schlaganfall 0–1
  b) ursächlicher Verschluss der Carotis interna oder des M1-Segments der Arteria cerebri media (MCA)
  c) Alter ≥ 18 Jahre
  d) NIHSS-Score ≥ 6
  e) ASPECTS ≥ 6
  f) die Thrombektomie (Beginn Leistenpunktierung) lässt sich innerhalb von 6 h nach Symptombeginn durchgeführen.
Mit der Einschränkung, dass „der Nutzen ungewiss ist“, werden folgende Empfehlungen ausgesprochen: Eine mechanische Thrombektomie mit Stent-Retriever kann – sofern innerhalb von 6 h nach Symptombeginn möglich – sinnvoll sein bei:
4) sorgfältig ausgewählten AIS-Patienten, bei denen ein ursächlicher Verschluss des MCA-Segments 2 (M2), des MCA-Segments 3 (M3) oder von Anteilen der MCA vorliegt.
5) sorgfältig ausgewählten AIS-Patienten mit einem ursächlichen Verschluss der A. cerebri anterior, A. vertebralis, A. basilaris oder der A. cerebri posterior.
6) AIS-Patienten mit einem mRS-Score VOR dem Schlaganfall > 1, einem ASPECTS < 6 oder einem NIHSS-Score < 6, die einen ursächlichen Verschluss der A. carotis interna oder der proximalen MCA (M1) aufweisen (Anmerkung: Hierzu werden zusätzliche Daten randomisierter Studien benötigt).
 
Erweitertes Zeitintervall
 
Zudem ist – mit der gleichen Vorgabe des ungewissen Nutzens – eine mechanische Thrombektomie mit Stent-Retriever auch nach einem längeren Zurückliegen des Symptombeginns möglich. Diese
7) wird empfohlen (!) bei ausgewählten AIS-Patienten innerhalb von 6 bis 16 h nach letztem bekanntem Wohlbefinden, die einen großen Verschluss in der vorderen Zirkulation aufweisen und die übrigen DAWN- oder die DEFUSE-3-Einschlusskriterien erfüllen.
8) kann sinnvoll sein (!) bei ausgewählten AIS-Patienten innerhalb von 6 bis 24 h nach letztem bekanntem Wohlbefinden, die einen großen Verschluss in der vorderen Zirkulation aufweisen und die übrigen DAWN-Einschlusskriterien erfüllen.
 
Behandlungsziele
 
9) Technisch betrachtet ist das Ziel der mechanischen Thrombektomie die Reperfusion des Gewebes zu einem angiographischen Befund, der einem Grad 2b/3 der Skala modified Thrombolysis in Cerebral Infarction (mTICI) entspricht. Damit wird die Wahrscheinlichkeit eines guten funktionellen Outcome der Patienten maximiert.
10) Wie bei der Thrombolyse mit i.v.-Alteplase geht auch bei der Thrombektomie ein kürzerer Zeitraum zwischen Symptombeginn und Reperfusion eindeutig mit einem besseren klinischen Outcome einher. Um den maximalen Nutzen zu erzielen, sollte die Reperfusion zu einem TICI-Grad 2b/3 (innerhalb des therapeutischen Fensters) so früh wie möglich realisiert werden.
 
Wahl der Systeme und Zusatzinterventionen
 
11) Der Stent-Retriever sollte dem Mechanical Embolus Removal in Cerebral Ischemia (MERCI)- Retriever vorgezogen werden.
12) Der Einsatz eines mechanischen Thrombektomie- Systems mit einem anderen als dem first line eingesetzten Stent-Retriever kann unter gewissen Umständen sinnvoll sein. Der Stent Retriever bleibt aber erste Wahl.
13) Bei der Anwendung eines Stent-Retrievers kann ein proximal eingeführter Ballon-Katheter oder ein distal eingeführter Katheter mit großem Durchmesser gegenüber einem zervikalen Katheter vorteilhaft sein (Anmerkung: In zukünftigen Studien sollte untersucht werden, welches System die höchsten Rekanalisierungsraten bei niedrigstem Embolie-Risiko bietet).
14) Der Einsatz einer lytischen Therapie (einschließlich der intraarteriellen Thrombolyse) kann sinnvoll sein, um einen angiographischen mTICI-Befund 2b/3 zu erreichen
15) Bei einem doppelten (extra- und intrakranialen) Verschluss während der Thrombektomie kann eine EVT sinnvoll sein.
 
Blutdruckkontrolle
 
17) Bei AIS-Patienten, bei denen eine Thrombektomie durchgeführt wird, ist es sinnvoll, den Blutdruck während der Prozedur und in den 24 h danach auf Werte ≤ 180/105 mmHg einzustellen.
18) Bei AIS-Patienten, bei denen die Thrombektomie zu einer erfolgreichen Reperfusion geführt hat, könnte es sinnvoll sein, den Blutdruck auf Werte < 180/105 mmHg einzustellen. HL
Quelle:

Powers WJ et al. für das American Heart Association Stroke Council: 2018 Guidelines for the Early Management of Patients With Acute Ischemic Stroke: A Guideline for Healthcare Professionals From the American Heart Association/American Stroke Association. Stroke 2018; 49 [Epub 24. Jan; doi: 10.1161/ STR.0000000000000158]

ICD-Codes: I63.9

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