Cannabis-Fertigarzneimittel

Neuro-Depesche 5-6/2019

THC:CBD-Oromukosalspray auch gegen Schmerzen

Seit der Lockerung der Cannabis-Verordnung 2017 können auch erfolglos vorbehandelte Patienten mit chronischen Schmerzen von der Zusatztherapie mit dem Fertigarzneimittel aus Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) profitieren. Für das aus der Add-on-Behandlung der mittelschweren bis schweren MS-bedingten Spastik vertraute Oromukosalspray existieren zahlreiche Studiendaten zur Wirksamkeit bei Schmerzen, vor allem neuropathischer Art. Dies erläuterten Experten auf einem Symposium von Almirall auf dem 30. Deutschen Schmerz- und Palliativtag 2019 in Frankfurt.

„Erst vor etwa 20 Jahren wurde nachgewiesen, dass die Analgesie mit einer Aktivierung der Cannabinoid-Rezeptoren zusammenhängt“, erläuterte Prof. Beat Lutz, Mainz. THC aktiviert die CB1-/CB2-Rezeptoren, während CBD das zentralnervöse Endocannabinoidsystem moduliert, so dass die psychostimulierende THC-Wirkung antagonisiert wird. Dass CBD zudem dazu beitragen kann, das „Schmerzgedächtnis“ zu löschen, kann sich günstig auf die Therapie chronischer neuropathischer Schmerzen auswirken. In einer kleinen Studie konnte gezeigt werden, dass CBD als Add-on die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung verringern kann (Elms L et al., J Altern Complement Med. 2019).
„Für das Fertigarzneimittel Sativex liegen umfangreiche Daten sowohl aus qualitativ hochwertigen, kontrollierten Studien als auch aus dem Versorgungsalltag vor, die dessen Einsatz vor allem zur Behandlung neuropathischer Schmerzen sinnvoll erscheinen lassen“, berichtete PD Michael Überall, Nürnberg. Dies zeigen u. a. Daten aus der „Real-World“ des von der DGS unterstützten Praxis Registers Schmerz: Von derzeit 1.224 Patienten mit schwer zu therapierenden, meist neuropathischen (62,5 %) bzw. gemischten (30,8 %) Schmerzen, die Cannabinoide erhielten, wurden 800 (65,4 %) mit dem THC:CBD-Oromukosalspray als Add-on behandelt. Darunter kam es zu jeweils signifikanten Verbesserungen von Schmerzintensität, schmerzbedingten Alltagsbeeinträchtigungen, körperlicher/seelischer Lebensqualität, allgemeinem Wohlbefinden, Depressivität, Angst und Stress (je p < 0,001). „Die Daten zeigen deutlich, dass die Response beim Patienten umso höher ausfällt, je stärker die neuropathische Komponente das Schmerzsyndrom dominiert“, berichtete Überall. So reduzierte sich der Anteil an Patienten mit neuropathischen Kardinalphänomenen von 62,5 % auf 24,1 % – und die Patienten mit neuropathischen Schmerzen selbst berichteten zu 76 % eine erhebliche Besserung. Für eine erfolgreiche Behandlung sollte also der Schmerzphänotyp der Patienten identifiziert werden.
Besonders praxisrelevant ist, dass unter der Therapie mit dem THC: CBD-Spray viele Patienten (35,6 %) ihre Schmerz-Dauermedikation und noch mehr (47,9 %) ihre Bedarfsmedikation verringern konnten. „Eine Verbesserung in welcher Form auch immer haben neun von zehn Patienten gezeigt. Und vier von zehn haben eine Reduktion bezüglich dieser für den Erhalt der Chronifizierung psychologisch entscheidenden Faktoren wie Depressivität, Angst und Stress erlebt“, fasste Überall in Frankfurt zusammen. Im Übrigen brachen nur 4 % die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen wie unangenehmer Geschmack und Appetitsteigerung ab. 
„Diese Real-World-Daten“, so das Fazit von Überall, „belegen die Behandlungserfolge mit dem THC: CBD-Oromukosalspray bei chronischen, anderweitig therapierefraktären Schmerzen“. NM
Quelle:

Lunchsymposium: „Cannabis als Medizin – Evidenz oder Eminenz?“ Deutscher Schmerz- und Palliativtag und 30. Deutscher interdisziplinärer Schmerz-und Palliativkongress, Frankfurt/Main, 7. März 2019

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