Zehnjahresdaten belegen frühe Defizite und Progression

Neuro-Depesche 1-2/2018

Stumme MS-Läsionen verschlechtern Kognition

Nur jede achte bis zehnte Hirnläsion bewirkt bei MS-Patienten ein schubartiges Ereignis – doch die Krankheit schreitet auf einem subklinischen Niveau fort. Inwieweit klinisch asymptomatische MS-Läsionen die Kognition verschlechtern können, wurde nun in einer kleinen französischen Langzeitstudie über zehn Jahre untersucht.

Bei 26 Patienten mit erstem klinischen Ereignis (KIS) (durchschnittlich 32 Jahre alt, 84% Frauen) wurden kurz nach der Diagnose und zehn Jahre später 22 neuropsychologische Tests zu allen wichtigen kognitiven Domänen durchgeführt. Nur 15 der 26 Patienten waren irgendwann immunmodulatorisch behandelt worden. Schon zum Zeitpunkt der Diagnose (Jahr 1) zeigten 27% Defizite im Bereich Aufmerksamkeit/ Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit sowie je 11,5% der exekutiven Funktionen und des Gedächtnisses.
Während des Follow-up nahmen Häufigkeit (und Schwere) der exekutiven Dysfunktion dramatisch zu (von initial 11,5% auf 42% der Patienten in Jahr 10; p < 0,01). Dagegen verfehlte der Anstieg in der Aufmerksamkeit/Verarbeitungsgeschwindigkeit (von 11,5% auf 38%) die Signifikanz (p = 0,6) Der Anteil schwer betroffener Patienten (= Verschlechterungen in mind. zwei kognitiven Domänen) nahm über die zehn Jahre von 19% auf 39% zu.
In den zehn Jahren stieg der mediane EDSS von 0,5 auf 2,5 (p < 0,001) –, es fanden sich aber keine signifikanten Korrelationen zwischen EDSS und T2-Läsionsvolumina im Gesamthirn bzw. der Verschlechterung der exekutiven Funktionen. Mit dem Abbau der kognitiven Fähigkeiten eindeutig verbunden aber war die T2-Läsionsakkumulation in der weißen Substanz der Frontal-, Parietal- und Temporallappen. JL
Kommentar

Kognitive Probleme entwickeln geschätzt 40%–70% aller MS-Patienten. Diese Studie zeigt, dass Defizite häufig schon sehr früh, im KIS-Stadium, nachweisbar sind, im Verlauf zunehmen (besonders die exekutiven Dysfunktionen) und dies mit der Akkumulation klinisch asymptomatischer T2-MS-Läsionen einhergeht. Für die Behandlungspraxis bedeutet dies, dass Auftreten bzw. Vergrößerung von T2-Läsionen mit wirksamen Medikamenten zu verhindern sind.

Quelle:

Wybrecht D et al.: New brain lesions with no impact on physical disability can impact cognition in early multiple sclerosis: A ten-year longitudinal study. PLoS One 2017; 12(11): e0184650 [Epub 17. Nov.; doi: 10.1371/journal.pone.0184650]

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