48. Jahrestagung der DGKN, Freiburg (i. B.) 2003

Neuro-Depesche 3/2004

Stellenwert klassischer Verfahren

Auf der 48. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) in Freiburg (i. B.) wurde u. a. der Stellenwert der klinischen Neurophysiologie im Zeitalter der modernen Bildgebung diskutiert. Hier Auszüge:

NLG und EMG: Apparativ-diagnostischer Goldstandard bei Armplexusparesen sind elektrophysiologische Untersuchungen, am wichtigsten ist das EMG. Beurteilt werden die Verteilung der PSA, die MUP-Analyse als Parameter für die axonale Reinervation und das Rekrutierungsverhalten in der Frühphase. Zeigen sich instabile Satellitenkomponenten ist eine weitere funktionelle Verbesserung zu erwarten. In der sensiblen Neurographie ist bei Plexusläsionen insbesondere eine Minderung des SNAP im Vergleich zur Gegenseite zur Abgrenzung von einer Radikulopathie diagnostisch bedeutsam. Nur bei Leitungsblöcken ist eine motorische Neurographie aussagefähig. Die F-Welle ist bei Plexusläsionen häufiger pathologisch als bei Radikulopathien. Reine Verzögerungen sind selten, da die geschädigte Strecke kurz ist. Die Auslösbarkeit im Seitenvergleich ist dabei bedeutsamer. Die Magnetstimulation hat bei Plexusläsionen nur eine geringe Aussagekraft. (C. Bischoff, München) Evozierte Potenziale: Eine Amplitudenminderung über N13 spricht für eine Zervikalwurzelschädigung, eine Minderung des Erb- schen Potenzials für eine untere Plexusparese. Finden sich Amplitudenabflachungen über Erb, N13 und kortikal kann es sich um eine kombinierte Schädigung von Plexus und Radix handeln. Bei einem "Thoracic-outlet"-Syndrom (TOS), geschädigt sein können dabei Fasern von TH 1 und C 8, sind EP umstritten. Mit einem SEP des N. cutaneus antebrachii medialis erhält man Aussagen über Th 1. Falls bei einem TOS primär der N. ulnaris geschädigt ist sollte ein Ulnaris-SEP durchgeführt werden. (M. Stöhr, Augsburg) EMG und MRT: Zwischen EMG und MRT besteht meist eine gute Übereinstimmung. Das MRT ist eine sinnvolle ergänzende Diagnostik bei neuromuskulären Problemfällen. Das MRT ist bei TOS selten informativ, selbst bei eindeutigen Fällen, da offenbar überwiegend funktionelle Störungen vorliegen.(M. Bendszus, Würzburg) Diffusionsbildgebung: Mit der Messung des "Apparent Diffusion Coefficient" (ADC) wird die Molekularbewegung im Intra- und Extrazellularraum interiktal, im Anfall und postiktal gemessen. Bei kurzen Anfällen unter 30 min zeigt sich lokal kaum eine Veränderung des ADC. Bei generalisierten prolongierten Anfällen kommt es zu einem Abfall und anschließend zu einem Anstieg des ADC. Bei fokalen Anfällen erfolgt ein ADC-Abfall von 25 bis 31% im Herdareal nach mehr als 60 Sekunden, der eine fokuslokalisatorische Wertung ermöglicht. Interiktal ist die ADC im iktalen Hippokampus erhöht. (A. Hufnagel, Essen) Lokalisation mit MEG: Das MEG hat eine Bedeutung bei der nichtinvasiven, präoperativen Evaluation von interiktaler fokaler epileptischer Aktivität und damit bei der Detektion der epileptogenen Region in Relation zu funktionell wichtigen Hirnregionen. Der Vorteil ist die kontaktlose Registrierung mit 100 bis 300 Kanälen und die Lokalisationsgenauigkeit. Diese ist beim MEG mit etwa 3 mm deutlich höher als mit implantierten Elektroden (ca. etwa 7,5 mm). (H. Stefan, Erlangen) Stromdichte-Rekonstruktion: Bei der Stromdichte-Rekonstruktion erfolgt die EEG-Ableitung mit 23 bis 67 Oberflächenelektroden. Durch Koregistrierung von MRT und EEG werden die Ergebnisse in Projektion auf das MRT visualisiert. Vorteile gegenüber dem MEG sind u. a. die längeren Ableitezeiten und die geringeren Kosten. Der Vorteil gegenüber der Dipol-Analyse liegt in der Möglichkeit, die irritative und die epileptogene Zone besser abzugrenzen. (J. Huppertz, Freiburg) Limbische EKP: Bei der Untersuchung limbischer ereigniskorrelierter Potenziale (EKP) ist die Messung der AMTL-N400 bedeutsam, mit der die Reaktion auf alte und neue Wörter gemessen werden kann. Da die AMTL-N400 auf der iktalen Seite reduziert ist, wird eine Lokalisierung möglich. Wenn die N400 auf der nicht iktalen Seite präoperativ sehr gut ausgeprägt ist, wird das Verbalgedächtnis postoperativ wenig beeinträchtigt sein. Der Hippokampus ist offenbar bei der Detektion assoziativer verbaler Neuheit von Bedeutung. Für die Überprüfung des nonverbalen Gedächtnisses ist die P600 wichtig, die auf der betroffenen iktalen Seite reduziert sein wird. Bestehen klinisch nonverbale Gedächtnisdefizite, wird die P600 auf beiden Seiten reduziert oder nicht vorhanden sein. (T. Grunwald, Zürich) Wada-Test vs. fMRT: Bei Epilepsiepatienten sind Lokalisationsvarianten des Sprachzentrums besonders häufig. Die Validität und Reliabilität der fMRT für die Sprachlokalisation noch begrenzt. Studien zeigen eine Übereinstimmung zwischen fMRT und Wada-Tests von 75- 97%. Die Verwendung von Protokollen perzeptiver und rezeptiver Sprachfunktionen erlaubt bereits heute eine Screening durch fMRT. Bei allen unklaren Befunden bleibt der Wada-Test aber Goldstandard. Seine Vorteile liegen in der Erfassung der funktionellen Interaktion der Hemisphären und der Erfassung expressiver und rezeptiver Sprachfunktionen. Nachteile gegenüber der fMRT sind das kurze Zeitfenster und die Beeinträchtigung durch Aufmerksamkeitsfaktoren. (J. Wellmer, Bonn) (tha)

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