Beziehungsstörung, Angst und Depression

Neuro-Depesche 12/2016

Spezielle psychiatrische Komorbidität bei den Mädchen

Zertifizierte Fortbildung

Leiden Kinder mit einer ADHS unter weiteren psychiatrischen Störungen, können diese die Psychopathologie und Prognose stark beeinflussen. In einer Metaanalyse nahmen US-Psychologen jetzt die Muster komorbider psychiatrischer Erkrankungen speziell bei den angeblich „eher stillen“ Mädchen mit einer ADHS unter die Lupe.

Die Literaturrecherche ergab 18 geeignete Studien mit insgesamt 1997 Teilnehmern. Bei der Komorbidität wurde unterschieden zwischen internalisierenden (Angst, Depression) und externalisierenden Störungen (Störung des Sozialverhaltens [CD], Störung mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten [ODD]) nach DSMIV. Für jede komorbide Erkrankung wurde die Wahrscheinlichkeit (Odds Ratio, OR) für die Mädchen mit vs. ohne ADHS errechnet.
42% der Mädchen mit einer ADHS litten unter einer ODD, aber nur 5% der Mädchen ohne ADHS. Bei der CD betrug das Verhältnis 12,8% zu 0,8%, bei Angst 37,7% zu 13,9% und bei Depression 10,3% zu 2,9%. Den Autoren zufolge war die Prävalenz komorbider Angststörungen mit fast 38% unerwartet hoch, die einer komorbiden CD mit knapp 13% aber relativ gering.
Nach Adjustierung auf Alter und Ethnie sowie auf Studienqualität, -größe und -heterogenität sowie entsprechende verzerrende Faktoren wiesen die Mädchen mit einer ADHS für jede komorbide Störung eine signifikant um das Mehrfache erhöhte Wahrscheinlichkeit auf: Dabei waren die OR für externalisierende Störungen mit einem um mehr als das Fünf- bzw. Neunfache erhöhten Risiko (ODD: 5,6; CD: 9,4) sehr viel größer als die OR für internalisierende Störungen mit einem um den Faktor 3 bzw. 4 erhöhten Risiko (Angst: 3,2; Depression: 4,2). JL
Kommentar

Mädchen mit einer ADHS weisen bekanntlich häufiger internalisierende Störungen auf als Jungen, die sich häufiger mit einer externalisierenden Psychopathologie präsentieren. Dessen ungeachtet zeigt diese Metaanalyse, dass Mädchen gegenüber Gesunden ebenfalls deutlich häufiger unter externalisierenden als internalisierenden Störungen leiden – darin den Jungen also eher ähneln. Die Autoren weisen auf Studien hin, nach denen Mädchen mit einer ADHS plus komorbiden ODD- und/oder CD-Symptomen gesundheitlich und verhaltensmäßig besonders gefährdet sind, vor allem aufgrund eines häufigeren sexuellen Risikoverhaltens. Sie plädieren daher bei den Mädchen für eine sorgfältige Diagnostik, sowohl im Hinblick auf eine komorbide externalisierende Symptomatik als auch auf eine – bei ihnen offenbar immer noch sehr häufig übersehene – ADHS an sich.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Tung I et al.: Patterns of comorbidity among girls with ADHD: a meta-analysis. Pediatrics 2016; 138(4): pii: e20160430 [Epub 21. Sept.; doi: 10.1542/peds.2016-0430]

ICD-Codes: F90.

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