Mittleres und hohes Alter

Neuro-Depesche 12/2001

Spätschizophrenie oder Paraphrenie?

In einem Konsensus-Artikel der "International Late-Onset Schizophrenia Group" wurden psychotische Störungen, die im Alter über 40 und 60 Jahren auftreten, in die Gruppe der Schizophrenien als "late-onset schizophrenia" bzw. "very-late-onset schizophrenia-like psychosis" eingeordnet. Die Autoren berufen sich in der Klassifikation dieser Patientengruppe auf M. Bleuler's "Die spätschizophrenen Krankheitsbilder" (1943), deren Symptomenkomplex den frühen Schizophrenien ähnelten. M.A. Taylor schlägt statt dessen in einem Leserbrief vor, den von Kraepelin geprägten Begriff "Paraphrenie" oder einer atypischen affektiven Störung zu verwenden. Diese Patientengruppe als schizophren zu bezeichnen, führe allzu leicht dazu, Neuroleptika trotz ihrer Risiken einer antidepressiven Therapie vorzuziehen.

Wie aus den Ergebnissen der Konsensus-Gruppe hervorgeht, ist bei Erstmanifestation ab 40 Jahren ein breiteres Spektrum an Halluzinationen - visuelle, taktile and olfaktorische - und häufiger Verfolgungswahn als bei den frühen Schizophrenien zu beobachten. Formale Denkstörungen und Affektverflachung dagegen stehen weniger im Vordergrund. Neuropsychologisch werden geringere Defizite an kognitiver Flexibilität und Abstraktionsvermögen gemessen, während Beeinträchtigungen in exekutiven Funktionen, motorischen und verbalen Fähigkeiten bei frühen und späten Erkrankungsformen gleichermaßen ausgeprägt sind. Subtile hirnstrukturelle Volumenänderungen und eine Minderdurchblutung frontaler und temporaler Regionen wurden bei Spätschizophrenie gegenüber Kontrollpersonen festgestellt. Bei spätem Beginn sind mehr Frauen als Männer betroffen. Ein Teil der Patienten hat außerdem depressive Symptome. Bei Patienten über 60 Jahren wird eine familiäre Häufung von Depressionen, jedoch nicht an Schizophrenien festgestellt. Sensorische Defizite und soziale Isolierung überwiegen gegenüber den anderen Gruppen.

Quelle: Taylor, MA: Late-onset schizophrenia-like psychosis, Zeitschrift: AMERICAN JOURNAL OF PSYCHIATRY, Ausgabe 158 (2001), Seiten: 1334-1335

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