Von der Kindheit zum Erwachsenenalter

Neuro-Depesche 1-2/2018

So verändert sich die Kognition im Verlauf

Kognitive Dysfunktionen sind ein Kernmerkmal der Schizophrenie. Wie sich die einzelnen kognitiven Fähigkeiten der Patienten von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter verändern, wurde jetzt im Rahmen der prospektiven Geburtskohortenstudie Avon Longitudinal Study of Parents and Children (ALSPAC) erforscht.

In ALSPAC wurden alle 4322 (vom 1. April 1991 bis 31. Dez. 1992) im englischen Avon Lebendgeborenen eingeschlossen. Sie konnten im Alter von 18 Monaten (n = 511) sowie von vier (n = 483), acht (n = 3930), 15 (n = 3783) und 20 (n = 257) Jahren kognitiv getestet und mit 18 Jahren psychiatrisch untersucht werden.
Outcome-Parameter waren u. a. verbaler, non-verbaler und Gesamt-IQ zu allen Untersuchungszeitpunkten sowie Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, Arbeitsgedächtnis, sprachliche und visuell-räumliche Fähigkeiten und Aufmerksamkeit im Alter von acht und 20 Jahren.
Unterschieden nach psychiatrischen Diagnosen ergaben sich u. a. folgende Zusammenhänge: Personen mit psychotischer Erkrankung zeigten zwischen 18 Monaten und 20 Jahren kontinuierlich zunehmende Defizite im Gesamt-IQ (Effektgröße nach Cohen‘s d [ESΔ]: -1,09, p = 0,02) und im non-verbalen IQ (ESΔ: -0,94, p = 0,008). Bei Personen mit einer Depression allein nahmen die Defizite in diesem Intervall im nonverbalen IQ signifikant, aber nur leicht zu (ESΔ: -0,29, p = 0,04). 
Zwischen acht und 20 Jahren zeigte die Gruppe der Psychose-Kranken in allen neuropsychologischen Domänen Entwicklungsverzögerungen: Im Verlauf stark zunehmend waren dabei die Defizite in der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, (ESΔ: -0,68, p = 0,001), dem Arbeitsgedächtnis (ESΔ: -0,59, p = 0,004) und der Aufmerksamkeit (ESΔ: -0,44, p = 0,001), während sich die erheblichen Beeinträchtigungen von Sprache (ES: -0,87, p = 0,005) und visuospatialen Fähigkeiten (ES: -0,90, p = 0,001) als weitgehend statisch erwiesen.
Bei dem Personenkreis mit psychotischen Erfahrungen erreichten die durchaus vorhandenen kognitiven Defizite in diversen Domänen (nach Bonferroni-Korrektur) keine Signifikanz – und bei den Personen mit einer Psychose plus Depression ergaben sich kaum Hinweise auf relevante kognitive Defizite. HL
Kommentar

Bei Psychose-Kranken kommt es in den ersten beiden Lebensjahrzehnten zu dynamischen Entwicklungsstörungen, die verbale und nonverbale Fähigkeiten betreffen, und zu zunehmenden Dysfunktionen führen. Verbale Funktionen scheinen schon in der frühen Kindheit betroffen und sich danach relativ zu stabilisieren, während non-verbale Funktionen von der Kindheit über die Adoleszenz bis ins junge Erwachsenenalter zunehmen. Die Zusammenhänge sprechen für frühe, kognitionsfördernde Interventionen.

Quelle:

Mollon J et al.: Course of cognitive development from infancy to early adulthood in the psychosis spectrum. JAMA Psychiatry 2018 [Epub 31. Jan.; doi: 10.1001/jamapsychiatry.2017.4327]

ICD-Codes: F20.9

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