Wearables und Machine Learning

Neuro-Depesche 4/2022

Sind Panikattacken zuverlässig vorhersagbar?

Panikattacken führen zu häufigen Vorstellungen in Notaufnahmen und beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen. In Taiwan wurde in einer prospektiven Studie unter- sucht, ob tragbare Geräte (‚Wearables‘) in Kombination mit Smartphone-Apps helfen können, Panikattacken frühzeitig zu erkennen. Ziel war es, ein 7-Tage-Vorhersagemodell zu erstellen und die Auswirkungen verschiedener physiologischer und anderer Faktoren auf das Panikattacken-Risiko einzuschätzen.
Rekrutiert wurden 59 Teilnehmer im Alter von 20 bis 74 Jahren (Durchschnittsalter 46 Jahre; 61 % Frauen) mit nach DMS-5 und Kriterien des Mini International Neuropsychiatric Interview (MINI) diagnostizierter Panikstörung. Alle wurden mit niedrig dosiertem Escitalopram oder Sertralin behandelt. Mit 30 Teilnehmern wies mehr als die Hälfte mindestens eine komorbide psychiatrische Erkrankung auf. An häufigsten waren dabei generalisierte Angststörung (GAD; n = 19), Agoraphobie (n = 13) und Depression (n = 4).
 
Datengenerierung und eingesetzte Fragebögen
Panikattacken werden durch Persönlichkeitsmerkmale beeinflusst, durch Stress getriggert und können sich durch physiologische und emotionale Reaktionen ankündigen. Dem wurde in der aktuellen Studie Rechung getragen.
Über ein Jahr wurden bei den 59 Teilnehmern mittels Smartwatch und Smartphone-App täglich schlafbezogene Daten, Herzfrequenz (HF) und die lokomotorische Aktivität gemessen. Angst und Depression wurden detailliert mit mehreren Fragebögen erfasst, darunter mit dem Beck-Depressions-Inventar (BDI], dem Beck-Angst-Inventar (BAI), der Panic Disorder Severity Scale Self-Report (PDS-SR), dem State-Trait Anxiety Inventory für die State-Angst (STAI-S) und die Trait-Angst (STAI-T).
 
Machine Learning-Modelle
Für die Analyse der erhobenen Daten verglichen die Forscher sechs verschiedene Methoden des maschinellen Lernens: Random Forest (RF), Entscheidungsbaum (DC), Lineare Diskrimierungsanalyse (LDA), Adaptive Verstärung (AdaBoost), Extreme gradiente Verstärkung (XGBoost) und Regularized Greedy Forest (RGF). Fünf Methoden erreichten eine Genauigkeit von 67,4 % bis 80 %, während sich der RF-Algorithmus mit 81,3 % am erfolgreichsten erwies. Panikattacken konnten ein Woche vor ihrem Auftreten mit einer Sensitivität von 57,4 % und einer Spezifität von 93,8 % prädiziert werden.
 
Die wichtigsten Variablen
Die für das RF-Modell wichtigsten Variablen waren die durchschnittliche HF, die Ruhe-HF und die Tiefschlafdauer auf der einen sowie die Fragebogen-Resultate von BAI, BDI, STAI und MINI auf der anderen Seite. HL
Fazit
Patienten mit Panikstörung leiden vor allem unter der Furcht, dass jederzeit eine neue Panikattacke mit entsprechendem Kontrollverlust auftreten könnte. Das resultierende Vermeidungsverhalten beeinträchtigt die gesamte Lebensführung bis hin zur massiven sozialen Isolation. Eine zuverlässige, personalisierte Vorhersage könnte den Patienten helfen, frühzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten und so ihre Aktivitäten wieder auszuweiten.
Quelle: Tsai CH et al.: Panic attack prediction using wearable devices and machine learning: Development and cohort study. JMIR Med Inform 2022; 10(2) [Epub 15. Feb.; doi: 10.2196/33063]

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