Klinisch isoliertes Syndrom (KIS)

Neuro-Depesche 5-6/2017

Schon früh kognitive Defizite und Hirnatrophie nachweisbar?

Ein klinisch isoliertes Syndrom (KIS) stellt sich sehr häufig als Erstmanifestation einer schubförmigen MS dar. Nun prüften tschechische Forscher anhand der Voxel-basierten Morphometrie, inwieweit sich auch bei diesen Patienten schon ein spezielles Muster kognitiver Beeinträchtigungen und struktureller Hirnveränderungen finden lässt, und ob es sich von dem bei einer MS unterscheidet.

Die Studienpopulation bestand aus 51 KIS-Patienten mit hohem MS-Risiko (mit Nachweis der räumlichen Dissemination), die mit Interferon- beta behandelt wurden, und 44 alters-, geschlechts- und bildungsgematchten gesunden Kontrollen. Alle unterzogen sich umfassenden neuropsychologischen Tests und wiederholt einer Voxel-basierten Morphometrie (VBM) anhand der MRT-Aufnahmen.
Als Ganzes zeigte die KIS-Gruppe gegenüber den Kontrollen signifikant schlechtere kognitive Leistungen in verschiedenen Domänen: verbales und nonverbales Gedächtnis (nach RAVLT: p = 0,031 bzw. BVMT-R: p = 0,002), Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis (nach SDMT: p = 0,006; bzw. PASAT: p = 0,008) sowie exekutive Funktionen (nach TMT B: p = 0, 001 und COWAT: p = 0,047) und visuell-räumliche Funktionen (nach JLO: p = 0,040). Die Sprachleistung war jedoch bei den Paienten der KIS-Gruppe nicht betroffen. Je nach verwendeten Kriterien waren 18% bis 37% bzw. 14% bis 26% der KIS-Patienten relevant kognitiv beeinträchtigt.
Bei den KIS-Patienten signifikant gegenüber den Kontrollen reduziert waren die Volumina des Gesamthirns (p = 0,006) sowie der weißen und grauen Substanz (p = 0,029 bzw. p = 0,027). Dies betraf auch verschiedene kortikale Regionen (insbesondere frontotemporal, aber auch parietal, okzipital und limbisch; je p ≤ 0,019). Außerdem waren die Volumina des Hippokampus, der Amygdala und besonders des Thalamus in der KIS-Gruppe geringer und die lateralen Ventrikel erweitert (je p < 0,001).
Ein signifikanter Zusammenhang fand sich zwischen einem niedrigeren Volumen der weißen Substanz und schlechteren visuell-räumlichen Fähigkeiten nach JLO (b = 0,29; p = 0,042), doch ansonsten korrelierten die strukturellen Hirnveränderungen in der VBM-Auswertung nicht mit den kognitiven Problemen der KIS-Patienten. JL
Kommentar

In dieser Studie zeigte etwa ein Viertel bis ein Drittel der MS-gefährdeten KIS-Patienten ein Befundmuster mit geringeren kognitiven Leistungen und diversen regionalen Hirnatrophien. Diese ähneln prinzipiell dem Muster von MS-Patienten, doch im Unterschied zu diesen war die Variabilität in den neuropsychologischen Leistungen um ein Vielfaches höher und die Hirnveränderungen deutlich geringer.

Quelle:

Hyncicová E et al.: Cognitive impairment and structural brain changes in patients with clinically isolated syndrome at high risk for multiple sclerosis. J Neurol 2017; 264(3): 482-93

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