Kognitive Beeinträchtigungen

Neuro-Depesche 1-2/2017

Schädigungen der weißen und grauen Substanz korrelieren mit den Defiziten

Zertifizierte Fortbildung

Bis zu 70% aller Patienten mit einer schubförmigen MS (RRMS) leiden unter – leichter oder schwerer ausgeprägten – kognitiven Beeinträchtigungen. Inwieweit besteht ein Zusammenhang mit den MS-typischen Schädigungen der weißen und grauen Substanz?

An der Studie in Beijing nahmen 39 RRMS-Patienten (20–55 Jahre alt) und 29 Gesunde teil. Bei allen wurden die Unterschiede in der Integrität der weißen Substanz (white matter, WM) mittels des Diffusion tensor imaging (DTI) und die Unterschiede in den Volumina der grauen Substanz (gray matter, GM) mittels Voxel-basierter Morphometrie (VBM) der MRT-Scans untersucht sowie zahlreiche neuropsychologische Tests durchgeführt.
Die Patienten-Gruppe wies auf der HAMA bzw. HAMD-Skala deutlich höhere Scores für depressive und Angstsymptome auf (je p < 0,01) als die Gesunden und zeigte auch deutliche kognitive Defizite, u. a. im Symbol digit modalities test (SDMT, p = 0014) und im PASAT-3 (p = 0039). Diese Tests reflektieren die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und das Arbeitsgedächtnis.
Gegenüber den gesunden Kontrollen fanden sich bei den MS-Patienten in der DTI wie erwartet weit verbreitete Schäden der WM-Integrität sowie eine kortikale und subkortikale Atrophie der GM in mehreren Regionen.
Der neuropsychologischen Testbatterie zufolge waren 14 Patienten (35,9%) relevant kognitiv beeinträchtigt, die übrigen 25 nicht. Diese 14 schnitten signifikant schlechter ab als die Gesunden im Auditory Verbal Learning Test (AVLT), Verbal Fluency Test (VFT), PASAT-3, Brief Visuospatial Memory Test (BVMT) und Trail making test (TMT). Sie erzielten auch gegenüber den kognitiv unauffälligen MS-Patienten deutlich schlechtere Ergebnisse im AVLT, VFT, PASAT-3, BVMT und TMT.
Verglichen mit den kognitiv intakten MS-Patienten fanden sich bei ihnen außerdem im DTI deutlich ausgedehntere WM-Schäden, besonders im Corpus callosum, im Pedunculus cerebellaris, in der Corona radiata, in der Radiatio optica, im Fasciculus longitudinalis superior, im vorderen Schenkel der Capsula interna und im Cingulum. Zudem ließ sich – anders als in Studien zuvor – bei ihnen ein verringertes GM-Volumen bilateral im Nucl. caudatus, in der linken Insula und im rechten Temporallappen feststellen. JL
Kommentar

Kognitiv beeinträchtigte MS-Patienten weisen markante Defizite in Wortflüssigkeit, Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, (räumlichem) Arbeitsgedächtnis und exekutiven Funktionen auf. Diese Leistungsminderungen scheinen zu korrelieren mit ausgedehnten Veränderungen der WM-Integrität und selektiven GM-Atrophien in funktionell wichtigen Regionen, z. B. dem Temporalpol. Die mikrostrukturellen Schäden könnten den Autoren zufolge die anatomisch-neuronale Basis für die kognitiven Störungen darstellen.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Zhang x et al.: Contribution of gray and white matter abnormalities to cognitive impairment in multiple sclerosis. Int J Mol Sci 2016; 18(1): pii: E46 [Epub 27. Dez.; doi 10.3390/ijms18010046

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