Rettungskräfte begleitet

Neuro-Depesche 10/2016

Risikofaktoren für PTBS und Depression

Britische Psychologen fanden in einer prospektiven Studie an Rettungssanitätern, dass bestimmte Denkmuster das Risiko erhöhen, nach Extremsituationen eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder eine Major Depression (MD) zu entwickeln. Die Erkenntnisse könnten für die Entwicklung gezielter Trainingsprogramme genutzt werden.

Das Team begleitete 386 Rettungssanitäter ab ihrer Ausbildung. Zu Beginn wurden sie zu möglichen Risikofaktoren befragt; darunter u. a. zu früheren psychischen Störungen, traumatischen Situationen und zum Umgang mit belastenden Ereignissen. In den folgenden zwei Jahren wurden traumatische Ereignisse und die jeweiligen Reaktionen der Sanitäter alle vier Monate mit Hilfe von Fragebögen und Interviews aufgezeichnet. Am Ende der Studie sollten die Teilnehmer Aspekte ihres Wohlbefindens wie Anzeichen für ein Burn-out, Anzahl der Fehltage, Schlaflosigkeit, verringerte Lebensqualität etc. angeben.
Nahezu alle Sanitäter wurden in den zwei Jahren mindestens einmal mit einer potenziell traumatisierenden Situation konfrontiert. Knapp bzw. etwas mehr als jeder Zehnte entwickelte eine PTBS (n = 32, 8,6%) oder eine MD (n = 41, 10,6%). Diese Episoden waren mittelschwer ausgeprägt.
Zehn der 32 Sanitäter (31,3%) mit PTBS und zwölf der 41 (29,3%) mit einer MD wurden im Verlauf einer mehr oder weniger intentisiven Therapieintervention zugeführt. Diese reichte von einer Beratung über einen Peer-Support- Service, eine kognitiv- analytische bzw. kognitive Verhaltenstherapie bis hin zur Pharmakotherapie. Bis auf neun (2,3%), die nicht ausreichend ansprachen und eine rezidivierender PTBS bzw. MD entwickelten, erholten sich alle innerhalb von vier Monaten – fünf dieser neun allerdings auch nach wiederholten Therapien nicht.
Darüber hinaus blieben alle an PTBS oder MD erkrankten Sanitäter hinsichtlich Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit stärker beeinträchtigt als ihre nicht betroffenen Kollegen (je p = 0,001). Beide Gruppen litten auch häufiger unter Schlafstörungen und/oder – bei PTBS – einer stärkeren Gewichtszunahme (durchschnittlich 6,9 kg). PTBS-Betroffene waren nach zwei Jahren außerdem deutlich häufiger Raucher als Nicht-Erkrankte (40,7% vs. 23,8%).
Den Fragebögen und Interviews zufolge waren Teilnehmer, die häufig über belastende Situationen nachdachten, besonders anfällig für eine PTBS – unabhängig von der Anzahl der traumatischen Ereignisse. Bei einer MD erwies sich der Grad an Selbstvertrauen in die eigene Fähigkeit, Belastungen zu verkraften (Resilenz), als prädiktiv. Übereinstimmend mit früheren Studie erhöhte vor allem eine vorbestehende psychiatrische Störung das Risiko für eine PTBS und MD um das Sechs- bzw. Fünffache. GS
Kommentar

Offenbar sind es weniger die belastenden Situationen an sich, die eine PTBS oder MD vorhersagen, sondern eher die individuellen Denkmuster der Exponierten und ihr Umgang mit diesen Erfahrungen. Nun sollte untersucht werden, ob und wie der gefährdete Personenkreis schon während der Ausbildung untersützt werden kann, um das Risiko für eine spätere PTBS oder MD zu senken.

Quelle:

Wild J et al.: A prospective study of pre-trauma risk factors for post-traumatic stress disorder and depression. Psychol Med 2016 [Epub: 28. Juni; doi: 10.1017/ S0033291716000532]

ICD-Codes: F43.1

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