Vagusnervstimulation (VNS)

Neuro-Depesche 4/2018

Response mittels HRV vorhersagbar?

Bei Patienten mit arzneimittelresistener Epilepsie wird häufig die Vagusnervstimulation (VNS) eingesetzt, doch ob und wie stark die Patienten ansprechen, ist schwer vorherzusagen. Eine chinesische Forschergruppe untersuchte nun, inwieweit sich die präoperative Herzraten-Variabilität (HRV) als Prognosefaktor für eine Response eignet.

Die Epilepsie kann iktal und interiktal die autonome kardiale Regulation beeinflussen, was sich als Veränderung der HRV ausdrückt. Vor kurzem wurde zur HRV-Beurteilung die (nicht lineare) Multiscale-Entropie (MSE)-Analyse eingeführt. Mit ihr lässt sich auch die Komplexität physiologischer Datensätze über verschiedene Zeitskalen quantifizieren.
63 Epilepsie-Patienten (42 Männer, 21 Frauen) unterzogen sich einer VNS. Vorher wurden ein interiktales und iktales Langzeit-EEG, ein 24-Stunden-EKG sowie ein MRT- oder PET-Bild angefertigt Während des einjährigen Follow up blieb die Antiepleptika-Medikation stabil. Nach Einschalten des VNS-Generators (zwei Wochen nach der Implantation) wurden die VNS-Settings in zweiwöchigen Intervallen so lange verändert, bis eine Stimulation von 1,0 mA erreicht wurde. Bei jeder Nachuntersuchung wurde die Stromstärke schrittweise um 0,2–0,3 mA erhöht, bis entweder die Anfälle um mehr als 50% reduziert werden konnten (= Ansprech-Kriterium), der Patient die VNS nicht mehr tolerierte oder 3,5 mA erreicht wurden.
Wie erwartet, wiesen die Patienten gegenüber 50 gesunden Kontrollen signifikant niedrigere Werte für mittlere RR, SDNN, RMSSD, pNN50, VLF, LF, HF und TP auf (s. Textkasten). 55 Patienten (87,30%) hatten auf die VNS angesprochen, 34 (53,97%) wurden am Ende als Responder eingestuft. Neun Patienten (14,29%) waren nach einem Jahr anfallsfrei.
Hinsichtlich der linearen HRV-Parameter unterschieden sich ansprechende und nicht-ansprechende Patienten nicht signifikant, wohl aber in der nicht-linearen MSE-Analyse: Responder zeigten hier präoperativ signifikant höhere Werte für RMSSD (41 vs. 27, p = 0,001), pNN50 (15,54 vs. 6,94, p = 0,001), VLF (147 vs. 107, p = 0,028), LF (686 vs. 465, p = 0,026), HF (843 vs. 355, p = 0,001) und TP (1678 vs. 924, p = 0,005). Zudem waren die LF/HF-Werte bei ihnen signifikant niedriger (1,21 vs. 1,66, p = 0,040) als bei den Non-Respondern.
Laut ROC-Analyse hatten in der MSE die Bereiche 6–20 die stärkste Aussagekraft zur Unterscheidung zwischen Respondern und Non-Respondern. Bei einem Cut-off-Wert von 16,82 betrug die Sensitivität 94,5%, die Spezifität 87,5%. Bei der traditionellen HRV-Analyse erwies sich RMSSD als der aussagekräftigste Prädiktor. Hier lagen Sensitivität und Spezifität bei einem Cut-off-Wert von 30 msec bei 79,4% bzw. 72,4%. Die Autoren betonen, dass die präoperative nicht-invasive HRV-Analyse durch lineare und MSE-Auswertung die Optimierung der Patientenselektion erlaubt und so unnötige VNS bei potenziellen Non-Respondern vermieden werden können. GS
Kommentar

Erläuterungen zur MSE: Die Analyse des Zeitbereichs umfasste das mittlere RR-Intervall (mittlere RR), die Standardabweichungen (SD) des RR-Intervalls (SDNN), die Quadratwurzel des Mittelwertes der Quadratsumme der Differenz zwischen benachbarten RR-Intervallen (RMSSD) sowie den Anteil der aufeinanderfolgenden RR-Intervalle, die sich um mehr als 50 ms unterscheiden (NN50), devidiert durch die Gesamtzahl der RR-Intervalle (pNN50). SDNN liefert globale Informationen über alle Komponenten, die während des Aufzeichnungszeitraums zur HRV beitragen. RMSSD und pNN50 spiegeln die parasympathische Kontrolle der Herzfrequenz wider. Mittels Fast Fourier Transformation werden die vier Hauptspektralkomponenten berechnet: Gesamtleistung (TP; 0,0033– 0,40 Hz) sowie Leistung im Very Low Frequenz- Bereich (VLF; 0,0033–0,04 Hz), Niederfrequenz (LF; 0,04–0,15 Hz) und Hochfrequenz (HF; 0,15–0,40 Hz). Die VLF-Komponente gilt als Hauptdeterminante der körperlichen (vermutl. sympathisch bedingten) Aktivität. Die LF-Komponente reflektiert sowohl die sympathische als auch die parasympathische HR-Kontrolle, während die HF-Komponente als (Atmungs-vermittelter) Marker der vagalen Aktivität dient. Das Verhältnis LF/HF steht für das globale sympatho- vagale Gleichgewicht bzw. die sympathische Aktivität.

Quelle:

Liu HY et al.: Preoperative heart rate variability as ... Scientific reports 2018; 8, 3856 (Epub ahead 01. März 2018; doi: 10.1038/s41598-018-21669-3)

ICD-Codes: G40.9

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