Der 51-jähriger Mann mit achtjähriger RRMS-Anamnese wurde mit einer progressiven Schwäche des linken Beines und stark beeinträchtigter Gehfähigkeit aufgenommen. Das MRT zeigte bihemisphärisch große konfluierende T2-Läsionen der weißen Substanz. Trotz hochdosierter Steroid-Pulse und sechs Zyklen eines Plasmaaustauschs sowie der Gabe von Foscarnet/Ganciclovir verschlechterte sich der Zustand des Patienten rasant (Tetraplegie, EDSS 9,5), so dass er somnolent und beatmet auf die Intensivstation verlegt wurde.
Diagnostische Abklärung
Da der Patient zuvor wegen eines hohen Anti-JCV-Index von Natalizumab auf Fingolimod umgestellt worden war, stand der Verdacht einer PML im Raum (der sich abschließend aber nicht bestätigte). Die mikrobiologischen, serologischen und Liquor-Untersuchungen waren allesamt negativ. Wegen der klinischen und radiologischen Progression trotz Steroiden und Plasmaaustausch wurden weitere Differenzialdiagnosen abgeklärt.
Die Liquorbefunde sprachen gegen Neurocysticercose, PML oder Lymphom, es wurde keine HHV-6-DNA nachgewiesen. Unterstützt von den radiologischen Befunden waren ein intrazerebrales Lymphom und eine HHV-6-Enzephalitis wenig wahrscheinlich. Dies traf angesichts einer fehlenden mediastinalen Lymphadenopathie im CT und nicht-erhöhten Serumspiegeln an ACE und sIL2-R auch auf eine Neurosarkoidose zu.
Nun erfolgte eine Hirnbiopsie. Histopathologisch zeigte sich eine große, scharf abgegrenzte entzündlich-demyelinisierende Läsion ohne morphologische Hinweise auf eine nekrotisierende HHV-6-Enzephalitis oder PML. Es wurde die Diagnose einer tumefaktiven MS gestellt. Die Angehörigen lehnten eine Therapie mit Ocrelizumab oder Alemtuzumab ab. Der neurologische Status des Patienten blieb auch nach dreimonatiger Rehabilitation stark beeinträchtigt, es bestand eine schwere Tetraparese (EDSS: 8,5). Letzter Stand ist, dass der Mann im Pflegeheim lebt, tracheotomiert spontan atmet und per perkutaner endoskopischer Gastrostomie (PEG) ernährt wird. HL