Von Piloten und Ärzten

Neuro-Depesche 6/2015

PTBS und Depression

Selbst wenn Katastrophen ein gutes Ende nehmen, dauert es lange, bis die unmittelbar Beteiligten den Schock verarbeitet haben. Auch Ärzte stehen z. T. unter starker emotionaler Belastung. Eine Erholungspause gibt es für sie aber in der Regel nicht.

Anfang 2015 wurde über die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) eines prominenten Piloten berichtet. Captain Chesley B. Sullenberger III gelang 2009 eine spektakuläre Rettung: Nachdem beide Triebwerke seines Jets ausgefallen waren, wasserte er die Maschine mit allen Passagieren sicher im Hudson River. Obwohl niemand verletz wurde, kämpfte der Pilot noch lange mit PTBS-Symptomen. Drei Monate lang konnte Sullenberger nicht schlafen und sich nicht konzentrieren. Er brauchte Medikamente gegen Tachykardien und Bluthochdruck. Erst ein halbes Jahr später konnte er wieder fliegen.
Auszeiten und Krisenmanagement gibt es in der Medizin kaum. Ärzte hetzen oft von einem Einsatz zum nächsten, egal, ob sie mit Notsituationen oder dem Tod konfrontiert werden. Ihnen bleibt keine Zeit, das Erlebte zu reflektieren oder mit anderen zu besprechen. Studien bestätigen, dass viele Ärzte stark emotional belastet werden. In einer Umfrage zeigten rund 70% der Anästhesisten nach einer Notfallsituation PTBS-Symptome, und zwei Drittel fühlten sich danach in ihrer Fähigkeit beeinträchtigt, Patienten mit der gewohnten Sicherheit zu versorgen. Fast 20% gaben sogar an, sich nie wieder vollständig erholt zu haben. Diese Ärzte werden als „Second victims“ bezeichnet – und die von ihnen geschädigten Patienten sind die „Third victims“. OH
Quelle:

Stiegler MP: What I learned about adverse events from captain Sully. JAMA 2015; 313(4): 361-2

ICD-Codes: F43.1

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