Palliativmedizin

Arzt-Depesche 4-5/2019

Psychopharmaka bei Delir?

Tritt in einer palliativen Situation ein Delir auf, dann wird oft schnell zu Benzodiazepinen und Neuroleptika gegriffen. Ob es dafür eine rationale Grundlage gibt, eruierten palliativmedizinisch und gerontopsychiatrisch Tätige in der Schweiz nun anhand einer nicht systematischen Auswertung der spärlichen Literatur zu dieser Fragestellung.
Die Ausbeute war nicht gerade üppig: Gerade mal zwei randomisiert kontrollierte Studien (RCT) von 42 Publikationen zur Delirbehandlung in der Palliativversorgung fanden die Forschenden, zu wenig, um eine aussagekräftige systematische Metaanalyse daraus zu erstellen.
In der einen RCT kam man zu dem Ergebnis, dass Lorazepam in Kombination mit Haloperidol Agitiertheit bei Delirpatienten wirksamer reduziert als Haloperidol mit Placebo. In einer anderen RCT zeigte sich, dass weder Risperidon noch Haloperidol hinsichtlich Wirksamkeit auf die Delirsymptome einen Vorteil gegenüber Placebo hatten, dass aber beide Neuroleptika mit einer deutlich höheren Mortalität und Morbidität einhergingen. Auf Basis dieser und 40 weiterer nicht kontrollierter Studien könne man, so die Autoren, die Behandlung mit Benzodiazepinen oder Neuroleptika in der Palliativsituation weder dezidiert begründen noch ausschließen. Bevor man unbedacht Psychopharmaka einsetze, sei es unbedingt notwendig, sorgfältig nach den Ursachen zu forschen, die das Delir induzierten und aufrechterhalten. Dazu zählen beispielsweise Medikamente, Infektionen, ungewohnte Umgebungsfaktoren, unzureichend behandelte Schmerzen, Schlafstörungen oder Begleiterkrankungen wie Demenz. Auch die Identifizierung von Patienten mit einem potenziellen Risiko für Delir zur vorbeugenden Behandlung sollte in Betracht gezogen werden.
Eine Indikation für Psychopharmaka sehen die Autoren am ehesten bei der hyperaktiven Form des Delirs gegeben oder zur vorübergehenden Behandlung psychotischer Symptome. Schwere Agitiertheit und Aggressivität, die nicht auf andere Maßnahmen ansprechen, könnten den Einsatz von Neuroleptika rechtfertigen. Die Verwendung von Benzodiazepinen dagegen solle man auf kritische Situationen beschränken, in denen eine Behandlung mit Neuroleptika nicht möglich ist, oder wenn ein Alkoholentzugsdelir vorliege. Dabei sei jedoch immer zu bedenken, dass sowohl Neuroleptika als auch Benzodiazepine beim Delir die Symptomatik verstärken oder auch verschleiern können. Sobald die Delirsymptome abnehmen, sollte auch die Psychopharmakatherapie reduziert bis ausgeschlichen werden. TH
Quelle: Gaertner J et al. Benzodiazepines and/or neuroleptics for the treatment of delirium in palliative care?-.... Ann Palliat Med 2019. doi: 10.21037/apm.2019.03.06. [Epub ahead of print]

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