Aus der Mottenkiste geholt

Neuro-Depesche 9/2016

Psycholyse mit Psilocybin bei Depression

In einer sog. Machbarkeits (Feasibility)-Studie prüften britische Forscher, ob die Verabreichung des Halluzinogens Psilocybin (in einem Setting mit intensiver psychologischer Unterstützung) bei Patienten mit einer bislang hartnäckig therapieresistenten Depression etwas ausrichten kann – und ob die Einnahme verträglich und sicher ist.

Sechs Männer und sechs Frauen mit mittelschwerer bis schwerer therapieresistenter Major Depression (HAM-D ≥ 17) hatten zuvor auf mindestens zwei adäquate Antidepressiva-Behandlungen nicht ausreichend angesprochen. In einem unterstützenden Setting (mit psychologischer Begleitung vor, während und nach der Einnahme) erhielten sie jetzt im Abstand von sieben Tagen zwei orale Dosen Psilocybin (niedriger mit 10 mg und höher mit 25 mg).
Der akute psychedelische Effekt begann der Selbstbeurteilung zufolge 30–60 Minuten nach der Einnahme, hatte nach 2–3 Stunden seinen Höhepunkt erreicht und war nach 6 Stunden weitgehend verschwunden. Die durchschnittliche Intensität (0-1-Skala) betrug 0,51 unter 10 mg und 0,75 unter 25 mg Psilocybin.
Gegenüber Baseline zeigte sich in dem 16-Item Quick Inventory of Depressive Symptoms (QIDS) als primärer Endpunkt eine deutliche Reduktion der depressiven Symptome nach der zweiten Einnahme (der höheren Dosis) – sowohl nach einer Woche (-11,8 Punkte, p = 0,002) als auch nach drei Monaten (-9,2; p = 0,003) Darüber hinaus wurde eine deutliche und anhaltende Verringerung der Angst (nach dem STAI-T) und der Anhedonie (nach SHAPS) beobachtet (p = 0,002 bzw. 0,004).
Das Halluzinogen wurde von allen Patienten gut vertragen. Mit Einsetzen der Wirkung wurden alle Teilnehmer vorübergehend etwas ängstlich. Neun zeigten eine transiente Verwirrung oder Denkstörung und je vier vorübergehend eine leichte Übelkeit oder Kopfschmerzen. Es traten keine schweren und unerwarteten Nebenwirkungen auf. Nur ein Patient entwickelte vorübergehend paranoide Gedanken. HL
Kommentar

Psilocybin ist seit den 50er Jahren bekannt. Der in „Magic Mushrooms“ vorkommende Serotoninrezeptor (5-HT2A)-Agonist hat in der Vergangenheit bei verschiedenen Zuständen wie Zwangsstörung, Nikotin- und Alkoholabhängigkeit, Angst am Lebensende etc. Hinweise auf ein therapeutisches Potenzial gezeigt. Dass es in diesem kleinen Pilotprojekt bei guter Verträglichkeit nach nur zwei Sitzungen zu einer deutlichen Reduktion der zuvor refraktären Depression kam, ermutigt zu größeren, kontrollierten Studien.

Quelle:

Carhart-Harris RL et al.: Psilocybin with psychological support for treatment-resistant depression: an open-label feasibility study. Lancet Psychiatry 2016; 3(7): 619-27

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