Flaggen vom DGPPN-Kongress 2022

DGPPN-Kongress 2022 in Berlin, 23. - 26. November 2022

Neuro-Depesche 1-2/2023

Psychiatrische Therapien im Wandel

Einige grundlegende Veränderungen in der Versorgung von Patienten mit Depression bringt die neue Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Depression, die die Leitlinienautoren in Berlin diskutierten. Bei Patienten mit Schizophrenie gilt weiter: Mit Monotherapie beginnen. Der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) bot zudem wieder die Gelegenheit, über den Tellerrand zu schauen, z. B. zur Pneumologie.

Hier aus dem breiten Repertoire kurz gefasst einige der in Berlin diskutierten Themen.

Antipsychotika-Kombination im Test

Die Evidenz für antipsychotische Kombinationstherapien wird auch durch die dreiarmige COMBINE-Studie nicht besser. 328 Erwachsene mit mehr als einer Episode einer Schizophrenie oder schizoaffektiven Störung hatten entweder eine Kombination von Amisulprid und Olanzapin oder die Einzelsubstanzen plus Placebo erhalten. Wie Dr. Christian Schmidt-Kraepelin, Düsseldorf-Kaiserswerth, berichtete, verminderte sich der mittlere Wert auf der Positive and Negative Symptom Scale (PANSS) in den ersten acht Wochen unter Amisulprid/Olanzapin um 29,6, unter Olanzapin/ Placebo um 24,1 und unter Amisulprid/Placebo um 25,2 Punkte. Bei Berücksichtigung der hohen Abbruchquoten in den drei Studienarmen (> 50 % nach 16 Wochen) war die Kombinationstherapie beiden Monotherapien signifikant überlegen, allerdings nur mit einer geringen bis moderaten Effektgröße. E xtrapyramidale Symptome (EPS) traten zwar nicht vermehrt auf, aber sexuelle Funktionsstörungen waren häufiger als bei der Amisulprid-Monotherapie. Wie bei der Olanzapin-Monotherapie nahmen viele Teilnehmer unter der Kombination > 6 kg zu. Schmidt-Kraepelin empfahl, Antipsychotika-Kombinationen weiter sparsam und erst nach Ausschöpfen der Monotherapie-Optionen einzusetzen.

Neue NVL Depression

Die neue NVL Depression stellt die Bedeutung niedrig intensiver Maßnahmen (NIM) heraus. Bei einer erstmaligen, leichtgradigakuten Episode werden angeleitete Selbsthilfe, hausärztliche (psychosomatische) Grundversorgung oder psychiatrische, psychosomatische oder psychotherapeutische Basisbehandlung im Sinne einer Gesprächsleistung außerhalb der Richtlinienpsychotherapie vor jeder Psycho- und Antidepressiva-Therapie empfohlen. Gleichrangig werden Internet- oder mobilbasierte Interventionen (IMI) mit therapeutischer Begleitung genannt, so Prof. Martin Härter, Hamburg. Bei rezidivierenden leichtgradigen Akutepisoden kommen neben NIM/IMI auch Psychotherapie (stärkster Empfehlungsgrad) und Antidepressiva (mittlerer Empfehlungsgrad) zum Einsatz. IMI sind auch Bestandteil einer Therapie der mittelgradigen und schweren Depression – und eine Alternative, wenn Psychotherapie/Antidepressiva abgelehnt werden.

Die Empfehlungen zum Einsatz von Johanniskraut wurden in der neuen NVL modifiziert, berichtete Prof. Thomas Frodl, Aachen. Er kann nach Auf klärung über mögliche Nebenwirkungen bei leichtgradiger oder mittelgradiger Depression erfolgen, aber nur mit für diese Indikation zugelassenen Präparaten. Benzodiazepine und Z-Substanzen sollen bei leichten depressiven Episoden gar nicht und bei mittelgradigen depressiven Episoden nur im begründeten Einzelfall für zwei bis maximal vier Wochen und zusätzlich zu Psychotherapie und Antidepressiva-Therapie verordnet werden. Bei schweren depressiven Episoden ist der Einsatz ähnlich begrenzt möglich, wird aber nicht ausdrücklich empfohlen.

Skaten als ADHS-Behandlung?

Ein Skating-Training kann ADHS-Symptome bei Kindern signifikant reduzieren, berichtete Prof. Patricia Ohrmann, Münster. Das belegt die Auswertung der ersten 35 Jungen im Alter von acht bis 13 Jahren, die in einer Studie über 16 Wochen einmal pro Woche an einem zweistündigen Skating-Kurs teilnahmen. Die Selbst- und Fremdbeurteilung durch Kinder und Eltern mit dem Diagnostik-System für psychische Störungen für Kinder und Jugendliche II (DISYPS-II) zeigte eine signifikante Verminderung des Aufmerksamkeitsdefizits (von 1,92 auf 1,47; p < 0,0 019) und der Hyperaktivität (von 1,4 0 auf 1,05; p < 0,0 01). Neuropsychologische Tests bestätigten die Verbesserung von Aufmerksamkeit und Konzentration. Auch die Kinder gaben an, es gehe ihnen deutlich besser.

Wenn durch Traumata die Luf t weg bleibt

In der bevölkerungsrepräsentativen Studie Study of Health in Pomerania (SHIP-I) zeigt sich eine ausgeprägte Assoziation von posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und Atemwegsobstruktionen. Prof. Dr. Carsten Spitzer, Rostock, berichtete über eine Analyse von 1.772 Probanden, bei denen die Obstruktion mittels Spirometrie objektiviert wurde. 887 berichteten traumatischen Stress, 28 erfüllten die Kriterien einer PTBS. Das für diverse Einflussfaktoren adjustierte Risiko für einen selbstberichteten Asthma-Anfall war bei den P TBS-Patienten 7,8-fach, das für eine spirometrische Obstruktion 4,4-fach erhöht. Bei traumatischer Erfahrung ohne PTBS war das Risiko für beide Endpunkte gegenüber nicht traumatisierten Probanden dagegen nur leicht erhöht. Laut Spitzer gibt es Hinweise, dass die Therapie der PTBS die Lungenfunktion verbessern könnte.

ICD-Codes: F20.9 , F25.9 , F32.0 , F90.0 , F43.1
Urheberrecht: DGPPN
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